Liebe Bürgerinnen und Bürger von Quedlinburg, Gernrode und Bad Suderode
Das Bürgerforum Quedlinburg e. V. wünscht Ihnen ein Gesundes Neues Jahr 2014 !
Wir wünschen Ihnen einen stabilen Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und zusätzlich die Zeit und Muße, sich mit vielen anderen angenehmen Dingen des Lebens zu befassen. Vielleicht haben Sie auch Freude und Interesse daran, sich mit aktuellen Fragen der Kommunalpolitik bekannt zu machen, sich mit diesem oder jenem Problem näher auseinanderzusetzen oder gar aktiv an der Gestaltung kommunalen Lebens mitzuwirken.
Das Jahr 2014 ist mal wieder ein Superwahljahr. Neben verschiedenen anderen Entscheidungen werden auch die Karten für den Stadtrat von Quedlinburg neu gemischt. Diesmal müssen sich nicht nur die Quedlinburger entscheiden, sondern auch die BürgerInnen von Gernrode und Bad Suderode gehören zum Quedlinburger Wahlkreis.
Als Vorsitzender des Bürgerforums heiße ich Sie dazu herzlich willkommen!
Es würde etwas wie Häme klingen, hätte ich gesagt: Ich freue mich, dass Sie nun bei uns sind. Warum?
Vor auf den Tag genau fünf Jahren, am 11. Januar 2009, fand in Quedlinburg ein Bürgerentscheid statt. Das Bürgerforum hatte zusammen mit Mitgliedern aller Parteien und Gruppierungen und vielen, vielen Bürgern über ein Jahr lang dafür gekämpft, dass die Quedlinburger Stadtwerke nicht zum Verkauf an eine große Gesellschaft freigegeben werden. Wir haben damals gewonnen.
Allerdings lagen wir auch in einem Trend weg vom Verkauf kommunalen Eigentums an unbeteiligte Dritte, dem sich erhebliche Teile der deutschen Bevölkerung angeschlossen hatten. Ein sehr starker Partner war für uns die Bürgerinitiative Leipzig, die gerade erfolgreich den Verkauf ihrer Stadtwerke verhindert hatte. Damals gab es einen tiefen Spalt quer durch die Quedlinburger Bürgerschaft, pro und contra Stadtwerke-Verkauf, und ich kann Ihnen sagen, dass ich mich sehr gegrämt hätte, wenn wir den Bürgerentscheid verloren hätten.
Genau aus diesem Grunde meine ich, auch gut nachvollziehen zu können, wie problematisch die „Umgemeindung“ der Ortschaften Rieder, Gernrode und Bad Suderode für die Menschen ist. Sicherlich, einige sind dafür, andere dagegen, nicht jeder Sprecher fand den Beifall des Publikums, aber: Wäre eine Verwaltungsgemeinschaft Gernrode, ein Verbund sehr alter Ortschaften am Harzrand, wenn auch mit etwas weniger als 8000 Einwohnern, so schlimm und verheerend gewesen? Kommende und gehende Politiker und Bürokraten weit entfernt der Basis befanden die Auflösung der VG für notwendig und begründeten diese mit dem Schlagwort „Kosteneinsparung“.
Bis jetzt hat dieses Experiment den Steuerzahler wohl nur Geld gekostet, und zwar nicht wenig …
Dr. Eberhard Brecht, OB der städtischen Quedlinburger Vielfalt, kommt der Sache schon näher, wenn er meint, dass die Kernstadt durch den Anschluss der Ortschaften mehr als 25.000 Seelen auf die Waage bringt und dadurch ein Mittelzentrum bleibt mit all seinen Vorteilen hinsichtlich der Zuweisungen und Eingruppierungen durch übergeordnete Instanzen bis hin nach Brüssel.
Nur, wäre es nicht besser gewesen, schon einen Schritt zuvor, als es um die Fusion der Landkreise Quedlinburg, Wernigerode und Halberstadt ging, wie ein Löwe um die Autonomie eines Landkreises Quedlinburg oder zumindest um die Beanspruchung der Kreisstadt zu kämpfen? War dieser Vorschlag wirklich so utopisch, dass man ihn gar nicht erst wirklich zu versuchen brauchte?
Wer weiß, die Chance ist verspielt! Hat es den prophezeiten Spareffekt erbracht und für wen? Für den Bürger oder für die Verwaltung? Bis jetzt sehen wir nur, dass die Höhe der Kreisumlage schwindelerregend steigt und wir alle viel weitere Wege haben …
Wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, stellen Sie vielleicht die Frage: Hätte, wenn und aber ….
Was will er von mir? Die Dinge sind doch alle abgegessen! Wie wird die Zukunft aussehen?
Etliche Mitglieder des Bürgerforums, das seinerzeit aus der Widerstandsgruppe „Neues Forum“ hervorging, sind schon seit nunmehr einem Vierteljahrhundert in der Lokalpolitik wirksam.
Dabei haben wir erkannt, und das ist eine allgemeine Weisheit, dass uns die Analyse der Vergangenheit sehr viel über unsere möglichen Zukunftsstrategien aussagt. Wohin gehen wir? Welche Zielsetzungen beflügeln uns? Welchen Einsatz wagen wir? Wer macht mit?
Mir persönlich sind einige allgegenwärtige Hemmschuh-Phrasen besonders ins Auge gefallen:
- Wir können dagegen nichts tun.
- Dieser Fall unterliegt einer anderen Zuständigkeit.
- Was wäre, wenn das alle machen?
- Wir dürfen hier kein Exempel statuieren.
- Diese Sache wird bereits woanders behandelt.
- Sie haben zwar Recht, aber die Satzung, …, das Gesetz oder der Liebe Gott sehen das anders.
- Das wurde uns von oben übergestülpt.
- Diese Zuwendung ist ein einmaliges Geschenk, wir müssen nur zehn, zwanzig, dreißig … Prozent dazulegen.
Und dann die schönen Märchen:
- Aus ökologischen Gründen führen wir ein neues Ratskommunikationssystem ein.
- Aus Gründen der Gefahrenabwehr erhöhen wir die Sicherheit beim Advent in den Höfen auf das Zwanzigfache.
Und die allerschönste Phrase ist immer die:
- Das ist doch bei Anderen noch viel schlimmer!!!
In diesem Sinne möchte ich Ihnen einige zukünftige Problemfälle vorstellen, die zwar nicht in die direkte Zuständigkeit der Quedlinburger Verwaltung fallen, bei denen aber dennoch die Art der Reaktion ins Auge fällt.
Vor ein paar Monaten tauchte im Klinikum „Dorothea Erxleben“ ein anonym verfasstes Schreiben auf, in dem davon berichtet wurde, dass die Fusion der Kliniken Quedlinburg und Wernigerode mit der Absicht erfolgte, das finanziell angeschlagene Krankenhaus Wernigerode zu sanieren und anschließend das neu entstandene Harzklinikum zu privatisieren. Kurz gesagt, soll in einem ersten Schritt ein Großteil der Quedlinburger (hochmodernen) Fachmedizin (das Klinikum wurde und wird gerade enorm erweitert) nach Wernigerode ausgelagert werden. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben, das für erheblichen Wirbel sorgte, von „den Freunden des Quedlinburger Klinikums“. Und natürlich erfolgte die empörte Retourkutsche durch die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat, den Kreistag und seine Verwaltung. Trotzdem ist Fakt, die Verwaltung unseres Klinikums liegt in Wernigeröder Händen und das hiesige Personal ist stark verunsichert.
Das Krankenhaus Quedlinburg im Ditfurter Weg wurde im Neunzehnten Jahrhundert von wohlhabenden Quedlinburger Bürgern gestiftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zum Kreiskrankenhaus und später zu einer GmbH des Landkreises. Heute ist es immerhin der größte Arbeitgeber der Stadt. Soweit, so gut.
Als kurz vor Weihnachten eine Stadträtin der SPD im Stadtrat die Frage stellte, was es denn nun mit den Gerüchten um das Schicksal des Klinikums auf sich habe, bekam sie vom Bürgermeister die Antwort Nr. 2: Das unterliegt nicht unserer Zuständigkeit!
Ebenfalls kurz vor Weihnachten konfrontierte mich eine Quedlinburgerin mit folgender Anfrage: In der MZ wurde ein neuer Kreisverkehr unterhalb des Münzenberges vorgestellt, dessen Realisierung mit erheblichen Aufwand verbunden wäre. Was aber wird mit den dort wachsenden großen, alten Bäumen?
Die Kaiser-Otto-Straße ist keine Stadt-, sondern eine Kreisstraße. Der zukünftige Kreisel beeinflusst aber auf jeden Fall das Stadtbild. Er kostet sehr viel Geld, das man z. B. auch für Kultur ausgeben könnte. Und, haben Sie schon unter den Wartezeiten an dieser Einmündung gelitten? Ich gab die Frage der Bürgerin im Stadtrat an die Verwaltung weiter. Die Antwort war Nr. 2.
Seit 1996 ist der Quedlinburger Verwaltungshaushalt nicht mehr ausgeglichen. Das bedeutet, dass die Ausgaben die Einnahmen (Steuern, Gebühren, Zuweisungen und vieles mehr) übersteigen. Trotzdem kann die Stadt ihre Forderungen bezahlen, denn sie verfügt über einen Kassenkredit mit mäßigem Zinssatz. Momentan liegt die Schuld bei etwa 15 Millionen Euro. Die Quedlinburger Stadtkasse arbeitet in einem außerordentlich haushälterischen Regime, was an dieser Stelle einmal besonders lobend erwähnt werden soll. Trotzdem blickt die sogenannte Kommunalaufsicht mit Argusaugen auf das Finanzgeschehen und unterwirft den Haushalt einem ständig fortschreitenden Konsolidierungsprogramm. Die Kommunalaufsicht unterliegt dem ebenfalls hochverschuldeten Landkreis, der dem gleichfalls hochverschuldeten Land unterstellt ist, der gegenüber dem noch höher verschuldeten Bund rechenschaftspflichtig ist, der dem europäischen Währungssystem …
Fast die Hälfte der Ausgaben des Quedlinburger Verwaltungshaushaltes sind Personalkosten, die beständig wachsen, obwohl die Personalstärke seit 1990 ungefähr halbiert wurde. Für noch weitere Einsparungen bei den Personalzahlen und -kosten gibt es sehr unterschiedliche Denkmodelle.
Das Standardmodell bevorzugt die biologische Variante. Die Angestellten werden älter und ihre frei werdenden Arbeitsplätze werden nicht neu besetzt. Das würde nach einer vorliegenden Statistik bedeuten, dass im Jahr 2020 nur noch 15 Mitarbeiter unter 40 Jahre alt sind. Die allermeisten befinden sich dann um die 58 bis 67 Jahre. Das wäre mit einem radikalen Wiederbesetzungsstopp für Arbeitsplätze zu erreichen. Einige Konservative bevorzugen dieses Szenario.
Allerdings wirft es eine Anzahl von Problemen auf: Irgendwer vom Bauhof muss im Winter noch den Schneepflug fahren können und unser UNESCO-Museum auf dem Schloss lässt sich auch nicht auf Dauer kommissarisch leiten. Es gibt weitere Beispiele …
Ein alternatives Modell, das ich seit vielen Jahren zum Nachdenken empfehle, ist weniger bequem und macht einem in der Verwaltung keine Freunde. Ehe Menschen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden oder kein Nachwuchs mehr erfolgt, sollte man vielleicht vorübergehend das Gehalt aller Beschäftigten um – sagen wir 10 Prozent – senken. Das würde pro Jahr Millionen Euro bringen, viel mehr als die Gewinnausschüttung der Stadtwerke. Hier schlägt mir konsternierte Gegenwehr entgegen, siehe Phrase Nr. 5: Das verbieten die Tarifabschlüsse von Verdi und das Beamtengesetz.
Und überhaupt, es geht ans persönliche Geld und da hört der Spaß auf!
Aber es gibt Kommunen und kommunale Körperschaften, die diesen Weg längst gegangen sind – in Zeiten der sogenannten Not. Von privaten Betrieben, die ständig am Rande des Ruins fahren, will ich erst gar nicht reden …
Bei all diesen Problemfällen und vielem mehr könnte sich der Stadtrat wirkungsvoll einmischen und den Mitarbeitern der Verwaltung klarmachen, dass von ihnen mehr verlangt wird als nur Dienst nach Vorschrift. Ich will hier nicht ungerecht sein. In mannigfaltigen Fragen ist die Kooperation auch gut bis sehr gut. Aber gerade bei komplexen Problemen, die zudem von außen gesteuert erscheinen, trifft man auf die berühmte Gummiwand der Ablehnung. Auch vielen Stadträten ist es dann viel zu anstrengend, als Einzelkämpfer aufzutreten. Ich finde das schade, denn man könnte gemeinsam gegenüber „dem Rest der Welt“ viel mehr erreichen als momentan.
Was sehe ich nun konkret als Aufgaben des Bürgerforums?
Ich möchte Sie in dieser Neujahrsbotschaft nicht mit den Allgemeinplätzen der Kommunalpolitik konfrontieren: Wirtschaftsförderung, Ansiedlung von Gewerbe, Städtebau und Denkmalschutz, Förderung der Bildungs- und Sozialstruktur, Kultureinrichtungen oder Erhalt der Umwelt, Abbau der Schuldenlast und eifriges Arbeiten am Konsolidierungskonzept.
Wenn Sie die Presse verfolgen, haben Sie sicherlich auch bemerkt, dass sich das Bürgerforum in sehr viele Fragen einmischt und dass wir sehr aktiv an der Gestaltung unserer Kommune mitwirken.
Mir sind heute einige andere, komplexere Denkansätze wichtig.
Eine gemeinsame und konzentrierte Ratsarbeit spielt eine entscheidende Rolle beim Niederreißen der „Gummiwände“. Bürgermeister und Verwaltung sollten sich schon, wie es auch vorgesehen ist, mit den Meinungen und Vorschlägen der Stadträte und Ausschüsse auseinandersetzen. Es ist deshalb kontraproduktiv, aus Kostengründen weniger Fachausschüsse zu haben oder die Anzahl der Sitzungen ständig zu reduzieren. Das führt letztlich dazu, dass die Stadträte immer weniger Bescheid wissen und die Verwaltungen immer mehr Probleme im Selbstlauf und nach eigenem Gutdünken regeln! Doch was die einen und die anderen wollen, ist oft erheblich unterschiedlich!
Diese Erkenntnis führt direkt zu einer wirkungsvollen Diskussions- und Widerstandskultur. Ich habe versucht, Ihnen oben darzustellen, wie das Bewältigen von Problemfällen oftmals auf andere Entscheidungsträger abgewälzt wird. Doch damit muss man sich nicht zufrieden geben. Es ist viel besser, dann, wenn man vom Gegenteil oder einer anderen Lösungsvariante überzeugt ist, zum direkten Widerstand überzugehen, ohne Respekt vor irgendwelchen „hohen Herren“!
In diesem Zusammenhang würde ich mir eine viel stärker ausgeprägte Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern wünschen, die mit ihren Argumenten und durch ihre Anwesenheit die gewählten Ratsmitglieder unterstützen. Alle Sitzungen der Ausschüsse und des Stadtrates sind öffentlich, doch von dieser Möglichkeit wird nur wenig Gebrauch gemacht – und dann immer nur von den gleichen Personen! Das Bürgerforum hat z. B. eine sehr gut gepflegte Webseite (Steffen Kecke), auf der Sie viel erfahren und sich selber zu Wort melden können. Nutzen Sie diese Gelegenheit, mit uns Kontakt aufzunehmen!
Auf diese Weise können auch unkonventionelle Lösungen eines Problems zum Erfolg führen, die der bürokratische Tunnelblick gar nicht für möglich gehalten hätte.
Besonders würde ich mich über eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Menschen aus Gernrode und Bad Suderode freuen, denn von hier aus wachsen uns völlig neue Problemfelder zu, die es zu beackern gilt. Hier sollte man sich auch nicht nur am Stichwort „Kurzentrum“ festbeißen, sondern sich auch mit der zusammenwachsenden Wirtschaft, Bildung, Kultur und Ökologie auseinandersetzen.
Wenn Sie nun einiges Interesse an einem Gespräch mit uns gefunden haben, wäre es schön, wenn Sie mit uns Kontakt aufnehmen würden. Es ist unkompliziert! Rufen Sie uns an oder mailen Sie! Oftmals kennen wir uns ja bereits persönlich!
Sie können auch aktiv in die Kommunalpolitik einsteigen!
Kommen Sie zum Bürgerforum und lassen Sie sich für ein Mandat im Quedlinburger Stadtrat aufstellen! Dann haben Sie die Möglichkeit, sich direkt und kreativ mit der Gestaltung kommunaler Wirklichkeit zu beschäftigen!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute,
Ihr Christian Amling