Neues aus Kirche und Stadt

Für den Stadtrat am 19. 07. 2012 hatte die Verwaltung eine Vorlage erarbeitet, die im nichtöffentlichen Teil behandelt werden sollte. Sie erschien unter dem Namen:

Richtungsentscheidung zur Umsetzung des neuen Nutzungs- und Präsentationskonzeptes für den Stiftsberg in Quedlinburg

Der Beschlussvorschlag lautete:

Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, auf der Basis des von der ARGE culture concepts/KK architekten erarbeiteten Nutzungs- und Präsentationskonzeptes (Kurzfassung als Anlage), mit der Fortführung der Gespräche zwischen den Vertretern des Gemeindekirchenrates des evangelischen Kirchspiels Quedlinburg und der Domschatzverwaltung Quedlinburg/Halberstadt sowie der Stadt Quedlinburg mit der Zielstellung der Umsetzung eines gemeinsamen Betreibermodells.

Schon seit einigen Monaten erscheint es mir sehr wichtig, diesen wesentlichen Sachverhalt öffentlich zu diskutieren, denn er betrifft die im wahrsten Sinne des Wortes „Heiligste Kuh“ der Quedlinburger, das Schloss mit der Stiftskirche, unter Umständen sehr tiefgreifend. Einigen Mitgliedern des Rates und der Verwaltungsspitze ist diese Vorstellung wohl nicht sehr angenehm, denn Volkes Stimme ist unberechenbar. Aber damit muss man in einer Demokratie leben!

Aus diesem Grund stellte das Bürgerforum den Antrag, diesen Tagesordnungspunkt im Öffentlichen Teil der Sitzung abzuhandeln. Erstaunlicherweise erhielten wir dafür nur ganz wenige Ja-Stimmen.

Was sind die Ursachen für diese Geheimniskrämerei?

Vordergründig wurde ich auf einen kleinen Stempelabdruck verwiesen, der auf der oben erwähnten Anlage prangte und den irgendjemand dort vorsorglich hingesetzt hatte: vertraulich.

Ich sage hier ganz bewusst vorsorglich, denn ich kann in dieser Anlage nichts Vertrauliches finden. Es handelt sich dabei um eine Konzeption, die ich gleich noch genauer erläutern werde, in der zwei vom Kirchspiel „preisgegebene“ Zahlen stehen: Die jährliche Besucherzahl des Domschatzes und der damit von der Kirche erwirtschaftete Gewinn.

„Soll die Kirche diese Zahlen aus der Presse erfahren?“, fragte OB Brecht in der nichtöffentlichen Diskussion. Warum nicht? Wir legen in jedem Stadtrat z.T. Dutzende von Betriebsdaten aller möglichen Firmen öffentlich, im letzten gerade der Wowi, QTM und Stadtwerke, aber auch vieler privater Firmen. Ist die Kirche da etwas Besonderes? Sie ist nicht privat und sie ist auch nicht geheim! Wer diesen Gedanken aufkommen lässt, schadet der Kirche vielleicht mehr als er ihr nützt.

Zur Vorgeschichte:

Nachdem der Stadt Quedlinburg im Jahr 2010 umfangreiche Fördermittel für nationale Welterbestätten bewilligt worden waren, die insbesondere Stiftskirche und Altstadt betrafen, musste für den Schlossberg ein Zielkonzept erarbeitet werden, das langfristig und nachhaltig den Bestand des Schlossberges absichern und die Verbesserung der musealen Vermarktung des Ensembles untersuchen sollte.

Für diese Planung wurde im Herbst 2010 eine Lenkungsgruppe gegründet, in der sich Vertreter des Landesverwaltungsamtes, des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie sowie Mitarbeiter der Verwaltung (OB Dr. Brecht und Fachbereichsleiterin 3 Birgit Voigt) mit dem Thema beschäftigten. Kurz darauf arbeiteten in dieser Gruppe auch Vertreter der Domschatzverwaltung mit (Dr. Steinhäuser und Dr. Labusiak) und noch etwas später ließ sich der Stadtrat Wolfgang Docke vom Kultur- und Sozialausschuss in dieses Gremium wählen.

Im Juni 2011 vergab der Wirtschaftsausschuss den Auftrag für die Erstellung eines Masterplans für den Stiftsberg an die ARGE culture concept. Die Lenkungsgruppe tagte ein knappes Jahr lang hinter sehr fest verschlossenen Türen und dann war es endlich soweit: Am 8. 5. 2012 war der Masterplan erstellt und am 15. 6. 2012 präsentierten Frau Dr. Dümcke und Herr Karau ihr Werk „Nutzungs und Präsentationskonzept Stiftsberg“, erarbeitet im Auftrag der Stadt Quedlinburg, vor einem illustren Personenkreis im Rathaus. Geladen waren Vertreter des Gemeindekirchenrates des Kirchspiels Quedlinburg, die beiden oben genannten Vertreter der Verwaltung, die Fraktionsvorsitzenden und die Ausschussvorsitzenden.

Der Masterplan ist sehr umfassend. Ich kann mich hier nur auf Aussagen aus der „vertraulichen“ Kurzfassung beziehen. (Allerdings ist das Gesamtwerk jedem Stadtrat zur Einsichtnahme zugänglich!)

Von Anfang an stützte ich mich in der Diskussion auf den Passus (4): Kommunikation des Projekts „Der exponierten Bedeutung des Stiftsbergensembles für die Stadt Quedlinburg sowie das Land SA entsprechend, ist der öffentlichen Kommunikation des Projekts eine hohe Bedeutung beizumessen. Neben der Präsentation der Ergebnisse der Studie vor relevanten Entscheidungsträgern ist auf eine Verankerung des Projekts bei den Bürgern der Stadt Quedlinburg hinzuwirken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bereits der Begriff „Stiftsberg“ für die Quedlinburger unvertraut ist. Die Berater empfehlen, für das Projekt eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln.“

Dieser neue Masterplan, der übrigens (im Zeitalter der Berater) nicht billig war, umfasst trotz seiner Fulminanz eigentlich nur drei ganz einfache Fragen:

Wer soll es machen?

Wie soll es aussehen?

Wie teuer wird es?

Die ersten beiden Fragen werden in der Studie als „Betreibermodell“ und als „Präsentationskonzepte“ bezeichnet und bedingen die Antwort auf die dritte Frage.

Es gibt drei mögliche Betreibermodelle.

Die Stadt Quedlinburg ist Besitzer des Stiftsberges, damit des Museums und der Stiftskirche. (Um den Domschatz wird noch gestritten.) Damit läge es nahe, dass die Stadt eine eigene moderne, alles umfassende Museumslandschaft betreibt. In Zeiten notorisch leerer Kassen sieht sich die Stadt nicht einmal in der Lage, einen neuen Museumsdirektor einzustellen, obwohl das dringend nötig wäre. Bei einem durch die Kommunalaufsicht abgelehnten Haushalt 2012 ist das Betreibermodell Stadt fast undenkbar. Schade!!!

Das zweite Betreibermodell beinhaltet eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kirche, die über den bisherigen Status quo ziemlich weit hinausgeht. In einer gemeinsamen Museumslandschaft teilen sich Stadt und Kirche (Kirchspiel und Domschatzverwaltung Quedlinburg/Halberstadt) die Aufgaben bei der Vermarktung. Diese Situation muss in einem relativ komplizierten Vertragswerk verankert werden. Die Last würde auf mehrere Schultern verteilt werden.

Im dritten Betreibermodell übernimmt die Kirche die Vermarktung des Stiftsberges allein. Diese Variante sieht manch einer (ich gehöre dazu) mit großer Skepsis. Hier würden sich völlig neue Fragestellungen eröffnen, unter anderem über die Zeitdauer eines solchen Betriebes! Es scheint allerdings ernsthafte Überlegungen seitens der Kirche in diese Richtung zu geben. Dr. Ekkehard Steinhäuser spricht in diesem Zusammenhang von einem „Sakralen Ort“ und dass es im Sinne der neuen Zeit wäre, auf dem Stiftsberg eine „Spirituelle Begegnungsstätte“ einzurichten!
Dieses Szenario sollte laut Absprache am besagten 15. 6. 2012 sowohl in der Stadt, als auch im Kirchspiel diskutiert und eine Beschlussfassung herbeigeführt werden. Danach wollte sich besagter Personenkreis Ende Juli zur Präzisierung wieder treffen.

Am 19. Juli beschloss der Stadtrat einstimmig die Weiterverfolgung des zweiten Betreibermodells.
Im ersten Stadtrat nach der Sommerpause sollte der Stadtrat zügig mit der Weiterbehandlung dieses Themas fortfahren. Denn Eile ist geboten!!!

Das Land Sachsen-Anhalt und die EU haben im Rahmen des UNESCO Welterbe Managements Fördermittel in Millionenhöhe für die Einrichtung dieser neuen Museumslandschaft in Aussicht gestellt. Sie könnten bis zum Jahre 2019 zum Einsatz kommen. Bedingung für eine Bearbeitung ist die Einigung auf ein Betreibermodell!!

Der Termin für den Fördermittel-Antrag durch die Stadt liegt auch fest: Der 30. September 2012 !!

Der erste Stadtrat nach der Sommerpause war am 31. August. Da sollten Nägel mit Köpfen gemacht werden! Doch eine entsprechende Vorlage gab es nicht. Auf meine Anfrage hin erfolgte keine weiterführende Antwort. Die Kirche hatte ihre Schularbeiten nicht gemacht. Ohh!! Da muss die Frage gestattet sein:

Wer mauert hier ??

Die Stadt wird nun ihre Fördermittel ohne eine Abstimmung beantragen. Auf die Frage, was denn passiert, wenn es zu keiner Einigung zwischen Stadt und Kirche kommt, antwortete OB Brecht:

„Dann muss zwangsläufig alles so weitergehen wie bisher.“

Und was sagt die Kommunalaufsicht dazu?

In einem Schreiben der Kommunalaufsicht Landkreis Harz, das am 6. Juni bei der Stadt einging und mit einiger Verspätung an einige Stadträte weitergereicht wurde, äußert sich Frau Fabian insbesondere zum Problem Städtische Museen. Ich befürchte, dass kaum ein Stadtrat dieses Schreiben zur Kenntnis genommen hat.

Von allen freiwilligen Aufgaben der Stadt benötigen die Städtischen Museen das meiste Geld. Diese Ausgaben sind für eine Welterbe-Stadt unerlässlich, aber das ist ein anderes Thema.

Frau Fabian weist die Stadt daraufhin, das neben angestiegenen Ausgaben für Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit besonders eine Erstattung von Eintrittsgeldern an das Evangelische Kirchspiel zu Buche schlägt. „Die Erstattung erfolgt wohl für die Besichtigung des sog. Domschatzes im Rahmen eines Kombitickets. Eine Erstattung seitens des Ev. Kirchspiels an die Stadt Quedlinburg ist hingegen augenscheinlich nicht veranschlagt.“ Frau Fabian fährt fort: .“Auch beteiligt sich das Ev. Kirchspiel Quedlinburg weder an der Unterhaltung der Stiftskirche noch des Schlossberges, obgleich die Liegenschaften auch zur Einwerbung von – wohl nicht unerheblichen – Einnahmen genutzt werden.“

Man erwartet von der Stadtverwaltung Überlegungen hinsichtlich Kostensenkung im Kulturbereich und betont explizit: „Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit das Ev. Kirchspiel Quedlinburg angemessen an der Unterhaltung der zum Zwecke der Entgelterzielung genutzten städtischen Liegenschaften beteiligt werden kann. Es ist nicht nachvollziehbar, dass allein die Stadt Quedlinburg die Lasten der Unterhaltung der o. g. Liegenschaften trägt.“

Das sind ziemlich klare Worte von der Kommunalaufsicht. Doch wie werden Stadt und Kirche darauf reagieren?

Die Kirche versucht, sich bei derartigen Diskussionen stets in Schweigen zu hüllen. Mein eindeutiger Eindruck ist, dass Dr. Steinhäuser all diese Probleme „aussitzen“ möchte. Auch momentan halte ich das Schweigen des Kirchspiels bei den Entscheidungen zum Masterplan nicht für „eine bedauerliche Unterschätzung des Zeitdrucks, in dem wir uns befinden“, sondern als gut eingesetztes Kalkül. Die Zeit arbeitet für die Kirche. Und die Stadt, in diesem Falle vertreten durch OB, Verwaltung und Rat, traut sich nicht, dieses „Heiße Eisen“ anzufassen.

Aber ist dieses Eisen wirklich so heiß? Ich finde nicht! Es handelt sich hier um einen ganz normalen Akt der Entscheidung für wesentliche Entwicklungen in unserer Stadt. Wer davor zurückschreckt, führt in meinen Augen entweder Hinterhältiges im Schilde, ist befangen oder einfach nur gleichgültig!

Auch das Argument des „versöhnlichen Dialoges“ kann ich nicht mehr hören. Spätestens bei dem schon Jahre lang schwelenden Streit um die Eigentumsfrage des Domschatzes müsste doch allen Beteiligten, (wieder: sofern sie sich überhaupt dafür interessierten!) klar geworden sein, dass die Kirche mit knallharten Bandagen um ihre Interessen kämpft. Ich nahm an einigen dieser Gespräche teil. Während OB Brecht immer noch um Diplomatie bemüht war. setzten sich Dr. Steinhäuser und Dr. Labusiak kompromisslos, (um nicht zu sagen aggressiv), für ihre eigenen Interessen ein. Leider stand ich bei derartigen Konfrontationen zumeist auf verlorenem Posten, denn praktisch jeder an diesen Gesprächen Beteiligte war Kirchenmitglied oder gar -angestellter.

Einige Worte sollen hier noch kurz zum Thema „Wie soll es aussehen?“ gesagt werden.

Hierfür bietet der Masterplan gleich vier Varianten zur Auswahl an. Die Museumslandschaft soll modern und endlich UNESCO welterbegerecht werden, so ist das schließlich sonst auch überall auf der Welt! Nur dadurch können weltweit Unmengen von Touristen nach Quedlinburg gelockt werden und dann wird der ganze Spaß auch kostentragend. Oder? Eigentlich nicht …

Über diese Veränderungen am „Stiftsberg“ möchten OB, Verwaltung und die meisten Ratsmitglieder mit der Bürgerschaft auf keinen Fall reden, jedenfalls nicht jetzt schon. Dann würde alles neu Erdachte zerredet werden von „Leuten, die nicht im Prozess involviert sind“. Na gut, dann eben nicht!

Eins muss ich aber doch einfach schon verraten: Zur Krönung alles Neuen schlägt Frau Dr. Dümcke einen Neubau im barocken Schlossgarten vor, der nicht gerade klein sein wird. OB Brecht meint dazu, dass doch früher dort auch eine zweite Basilika und die Probstei gestanden hätten. Wo er Recht hat, hat er Recht! Aber ob das die Quedlinburger und bestimmte Genehmigungsbehörden auch so sehen, wage ich zu bezweifeln.

In diesem Sinne: Mischen Sie sich ein!

Christian Amling

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