Was macht der Bereich Wirtschaftsförderung während der Corona-Krise – und wohin geht die Reise danach?

  • Wo bleibt eigentlich die Unterstützung der Wirtschaftsförderung für betroffene Quedlinburger Unternehmen in der schwierigen Zeit der Corona-Krise?
  • Welche Rolle wird die Wirtschaftsförderung nach der Krise spielen? Wird sie den Aufgaben gewachsen sein?

Anfang des Jahres wurde dem Quedlinburger Wirtschaftsförderer eine „City-Managerin“ zur Seite gestellt. Obwohl wiederholte Fragen nach dem Konzept eines Quedlinburger City-Managements bis heute nicht beantwortet werden konnten, und man offensichtlich immer noch mit der Auswertung des Sachsen Anhalt-Tages beschäftigt zu sein scheint, sollte man doch meinen, dass der Wirtschaftsförderer und seine Mitarbeiterin jetzt an vorderster Front stehen und mit aufgekrempelten Ärmeln die Quedlinburger Gewerbetreibenden, Hoteliers und Gastronomen bei der Organisation von online-Angeboten, Lieferdiensten und anderen Aktivitäten unterstützen und aktiv helfen, die drohenden Insolvenzen abzuwenden.

Update vom 09.04.2020

Wie der heutigen Ausgabe der MZ zu entnehmen ist, haben die QTM und die neue City-Managerin gemeinsam inzwischen eine wirklich ansprechende und hilfreiche Webseite erstellt, die zunehmend von Quedlinburger Unternehmen – und hoffentlich auch von vielen Quedlinburgern – genutzt wird. Deshalb habe ich den ursprünglich hier folgenden Absatz entfernt. Sie erreichen die Webseite über folgenden Link: www.quedlinburg-lokal.de.
Gut gemacht!

Die Webseite der Wirtschaftsförderung ist auf den ersten Blick ansprechend. Sie bietet eine ganze Menge von hilfreichen Informationen für Unternehmen und Investoren. Nur gehen von ihr leider keine wirklich innovativen Impulse aus. Themen wie Klimawandel, Energie- und Verkehrswende oder Digitalisierung sucht man vergebens, obwohl sie ganz oben stehen müssten. Auch die mehr als prekäre Situation der Gesundheits- und Pflegeberufe wird nicht erwähnt. Und leider bis vor wenigen Tagen (siehe Update) auch keine aktuellen Unterstützungsangebote aus der Stadt zur schnellen und gemeinsamen Organisation von ganz praktischen Maßnahmen, um den von Insolvenz bedrohten Kleinunternehmen, Künstlern und allen anderen zu helfen. Von der Wirtschaftsförderung müssten Aktionen ausgehen, die in dieser schwierigen Zeit Begeisterung und Hoffnung erzeugen. Aber leider Fehlanzeige.

Liebe Stadtverwaltung und lieber Oberbürgermeister: Das kann es doch nicht gewesen sein, oder? Statt Mut zu machen und den Quedlinburgern mit einer offensiven Informationspolitik zu zeigen, dass die Stadt besonders jetzt zu ihren Bürgern steht, wird lediglich im Amtsdeutsch verkündet, was jetzt alles verboten ist, dass man wirksam kontrolliert – und eben vorschriftsmäßig verwaltet. Die schnelle Schließung des Wochenmarktes beispielsweise wird auf Nachfrage als Erfolg im Kampf um Leben und Tod gewertet, statt mit Augenmaß einen Weg zu finden, die wenigen verbliebenen Stände weiträumig auf dem komplett freien Markt zu verteilen, damit sich die Kunden nicht zu nahe kommen. Warum???

Wird die Stadt nach der Krise in der Lage sein, die Weichen richtig zu stellen, oder träumt der Wirtschaftsförderer einfach weiter von Einkaufsmeilen und Industriegebieten aus dem letzten Jahrtausend?

Wie im gleichnamigen Artikel auf Zeit online zu lesen ist, ist Investieren für den Tag X angesagt. Ja: Investieren für den Tag X! Denn die Welt wird nach der weltweiten Rezession, deren Ausmaß wir uns heute wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können, anders aussehen. Und trotzdem werden die drängendsten Probleme unserer Zeit völlig unbeeindruckt immer noch da sein – nämlich der drohende Klimawandel, der Rückgang der Biodiversität, der Verkehrsinfarkt und die Zerstörung der Umwelt durch die immer noch in großen Teilen fossile Energiewirtschaft, die schnellstens CO2-neutral werden muss.

Deshalb stehen wir (auch in Quedlinburg) vor den im obigen Zeit-Artikel beschriebenen Herausforderungen:

  • Wir brauchen eine Doppelstrategie für Wachstum und Klimaschutz
  • Wir müssen so investieren, dass wir das Ziel der Klimaneutralität 2050 im Blick behalten. Denn nur so vermeiden wir Fehlinvestitionen, die die nächste Wirtschaftskrise auslösen könnten.

Um diesen und allen anderen Herausforderungen im Sinne der Bürger der Stadt Quedlinburg zu begegnen, bedarf es eines Umdenkens in der Wirtschaftspolitik der Stadt. Ob das mit der konservativen Mehrheit in der Stadt gelingen wird, ist fraglich. Trotzdem müssen wir es versuchen. Und zwar gemeinsam! Denn das Wort „gemeinsam“ bekommt zur Zeit gerade wieder eine neue Bedeutung – eine ihr eigentlich schon immer zustehende Bedeutung.

Deshalb hoffe ich, dass diejenigen künftig nicht mehr ausgelacht werden, die in Quedlinburg endlich und radikal die Energiewende umsetzen wollen. Oder die in Quedlinburg nicht mehr alles dem individuellen Autoverkehr unterordnen wollen, und den öffentlichen Raum wieder den Fußgängern, den Radfahrern, dem öffentlichen und dann emmissionsfreien Nahverkehr, dem Stadtgrün und vor allem den Kindern zurückgeben wollen.
Vor allem müssen wir uns vom Dogma der ständig wachsenden Wirtschaft lösen! Und deshalb auch von einem Industriegebiet auf Vorrat in Quedlinburg. Wir müssen schauen, welche neuen Wirtschaftszweige künftig entstehen und vorausschauend genau da investieren – zuerst mit Ideen, dann mit mutigen Investoren. Dazu gehört die Digitalwirtschaft in all ihren Facetten, aber auch das Besinnen auf die natürlichen Stärken der Stadt und der Region – der traditionelle Gartenbau, die Saatzucht und die ökologisch betriebene Landwirtschaft, der sanfte und qualitativ hochwertige Tourismus. Und vor allem sollte Quedlinburg zu einer Bildungshochburg werden, denn die Stadt verfügt über eine weit zurückreichende Geschichte als Stätte höchster Bildung. Denn was war das Damenstift anderes als eine Bildungseinrichtung von nationaler Bedeutung? Darauf und auf einer Fülle von Bildungseinrichtungen und berühmten Quedlinburgern aus der früheren und jüngeren Vergangenheit muss sich doch aufbauen lassen.

Angesichts dieser Herausforderungen steht die Quedlinburger Wirtschaftsförderung nach der Krise vor einer Herkulesaufgabe. Sie muss sich entweder komplett öffnen und gemeinsam mit allen innovativ denkenden Kräften in Quedlinburg einen neuen Weg einschlagen, oder sie wird in der Bedeutungslosigkeit versinken und damit überflüssig.
Ideen, wie „Einkaufen in Quedlinburg“ oder das Quedlinburger Wirtschaftsforum in der bisherigen Form werden nicht zum Erfolg führen. Allein die Frage, wie wir es schaffen, dass Quedlinburg auch künftig eine belebte Innenstadt behält, erfordert neue Horizonte im Denken. Wer heute noch glaubt, dass im Internetzeitalter die Menschen noch ihren täglichen Bedarf in nennenswertem Umfang in klassischen Geschäften decken werden, hat noch nichts begriffen. Wenn die Geschäfte überleben wollen, dann müssen sie sich dem digitalen Wandel stellen und ihre Konzepte neu erfinden. Warten auf den Kunden wird immer weniger und bald gar nicht mehr funktionieren. Auch von der Orientierung auf das Regionale werden nur wenige Geschäfte auf Dauer leben können.
Ich hoffe hier auf gemeinsames Vorgehen der Wirtschaftsförderer und vielleicht einer deutlich verjüngten „Kaufmannsgilde 4.0“.

Wir wissen noch nicht, wie die Zeit nach der Krise aussehen wird. Vielleicht stehen wir dann auch vor Herausforderungen, die wir uns im Moment, wo erst einmal schnelles Handeln, Solidarität und jedes Menschenleben am wichtigsten sind, noch gar nicht vorstellen können. Wer weiß das heute schon.
Aber Eines scheint sicher zu sein: Ein einfaches „Weitermachen wie vorher“ wird wahrscheinlich nicht funktionieren. Also lasst uns gemeinsam nach vorn schauen und im Interesse der Quedlinburger Bevölkerung mutig sein!

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