Kurzentrum: Unsere Antwort auf einen anonymen Brief

Lesen Sie selbst – anonymer_Brief_Kurzentrum.

„Wer keine TrĂ€ume mehr hat, ist bereits gestorben“

Lieber anonymer Schreiber,

wenn ich Deinen Brief lese, frage ich mich, ob er ernstzunehmen ist oder einfach eine Farce.
Deine zentrale Aussage ist fĂŒr mich: „Im Stadtrat gebrauchen wir keine TrĂ€umer …“
Was brauchen wir denn Deiner Meinung nach fĂŒr Leute im Stadtrat, solche, die eher pragmatisch oder fantasielos oder gar faul sind? Möchtest Du einen Stadtrat, der unentwegt ĂŒber die Verschuldung der Stadt klagt und dadurch gelĂ€hmt bis in alle Ewigkeit bleibt? Vielleicht raubt es ja auch nur wertvolle Freizeit der RĂ€te und BĂŒrger, sehr wichtige Probleme, die die Allgemeinheit existentiell betreffen, noch einmal zu hinterfragen? Oder handelst Du nur im Auftrag derjenigen, die ihr Gesicht nicht verlieren wollen, weil sie eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen haben?
Ich selber halte es in dieser Beziehung jedenfalls nicht mit irgendeinem Altkanzler der BRD, der gesagt haben soll: „Wer Visionen hat, sollte zum Psychiater gehen!“

Dann kommt noch Dein bereits etwas abgenutztes Totschlag-Argument, „ob wir dem BĂŒrger noch mehr Steuerbelastungen aufdrĂŒcken wollen“.
Du musst nur durch Quedlinburg gehen und dir anschauen, wo Steuergelder verbraucht werden, nur schöne Dinge, die wir alle dringend brauchen. Es gibt eine Museumslandschaft, zwar etwas reparaturbedĂŒrftig, aber wir brauchen sie tatsĂ€chlich, denn wir mĂŒssen in einer Welterbe-Stadt etwas zu bieten haben. Wir haben einen nagelneu gepflasterten Marktplatz, der gut aussieht, aber gebraucht hĂ€tten wir ihn nicht unbedingt. Und wir bauen zum Beispiel gerade den Wiperti-Kreisel, dessen Baukosten fast ein halbes Jahrzehnt Kurzentrumszuschuss verschlingen und den viele Quedlinburger schier sinnlos finden.
Du wirst jetzt sagen, lieber Prof. Naseweiss, (du gestattest, dass ich Dich so nenne, denn Du bist ja anonym!), dieses Geld kommt doch zum grĂ¶ĂŸten Teil aus völlig fremden Töpfen. Ja, stimmt, die Stadt Quedlinburg ist allerdings mit einem Eigenanteil dabei, der bei den drei genannten Beispielen weit ĂŒber einer Million liegt (Wiperti-Kreisel z.B. laut Antwort einer Anfrage der Strin. Kurth bei schlappen 499 000 Euro fĂŒr Nebenanlagen, die nicht mit gefördert werden!).
Und hierzu vielleicht ein treffendes Zitat von jemandem, den Du nicht kennst: „Fremde heraus geschmissene Steuergelder sind trotzdem heraus geschmissene Steuergelder und betreffen dich auf jeden Fall mit! Also denk bitte nicht so egozentrisch!“

Nun haben wir es beim Kurzentrum allerdings nur mit einer Einrichtung der Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation zu tun, die Du wahrscheinlich eher nachrangig einstufst, weil es Dir noch nicht schlecht genug geht. Was aber viel bemerkenswerter ist, dass Du in Deiner Tirade gegen uns (BFQ) von grĂ¶ĂŸtenteils falsch zugeordneten DenkansĂ€tzen ausgehst.
Diese DenkansĂ€tze sind nĂ€mlich zusammengesetzt aus einem Puzzle von Meinungen und Behauptungen, die einerseits aus Artikeln und Kommentaren der Mitteldeutschen Zeitung stammen, die die Aussagen des BFQ zum Teil total falsch wiedergeben und gewĂŒrzt sind mit vielen eigenen Ansichten des Chefredakteurs, dann mit den zum Teil sehr festgelegten Ansichten vieler Ratsmitglieder und Teilen der Stadtverwaltung Quedlinburg, die wiederum aus den (hochgeheimen) BeschlĂŒssen der „Lenkungsgruppe Kurzentrum“ gespeist werden, und zu einem eher geringeren Anteil aus dennoch zentralem Ideengut, das tatsĂ€chlich aus unserer Feder stammt.

Ich möchte hier nicht zu weit ins Detail gehen, aber trotzdem einmal die Geschichte der Geschichte aus meiner, zugegeben ebenfalls fragmentarischen Sicht erzÀhlen:
Irgendwann vor fast einem Vierteljahrhundert wurde der Beschluss gefasst, den Ort Bad Suderode mit einem Kurzentrum auszustatten, als wirtschaftsfördernde Maßnahme. Unser OB Dr. Brecht betont immer wieder, dass er schon damals (noch als MdB) auf die Unwirtschaftlichkeit dieses Unternehmens hingewiesen hat.
Die damalige Landesregierung von Sacsen-Anhalt ließ sich ĂŒberreden und baute die Einrichtung, die tatsĂ€chlich manch einem Suderöder den Lebensunterhalt gab. Dass sie im Jahr eine Million Miese machte, wurde still klagend hingenommen. Das Land bezahlte!
Selbst die TrĂ€umer vom BFQ, lieber Anonymus, gingen damals nicht soweit zu behaupten, dass dieses Problem eines Tages dem Haushalt unserer Stadt auf die FĂŒĂŸe fallen wĂŒrde. (So prophetisch sind wir nun auch wieder nicht!)
Dann irgendwann im neuen Jahrtausend kamen aber einige geniale Geister in Magdeburg auf die Idee, zwecks kurzfristiger Kosteneinsparung grĂ¶ĂŸere Verwaltungseinheiten zu kreieren. So sollte die Stadt Quedlinburg die Verwaltungsgemeinschaft Gernrode einverleiben. Es ist allgemein bekannt, dass ich einer der Gegner dieses Gedankens war und bin, nicht weil ich diese Menschen nicht leiden kann, sondern weil ich es unnatĂŒrlich finde, derart gewachsene Strukturen auseinander zu reißen. Das wurde mir z. B. von Herrn Thomas scharf angekreidet, denn er gehörte ja zu den Ideenschöpfern.
Zum Verdruss vieler Ratsmitglieder wies das BĂŒrgerforum bereits damals ausdrĂŒcklich darauf hin, dass wir mit den Ortschaften insbesondere den Riesenschuldenberg des Kurzentrums ĂŒbernehmen wĂŒrden. OB Brecht brachte damals das legendĂ€re Zitat, (das er heute nicht mehr hören möchte!): „Wer um die Hand einer Braut anhĂ€lt, sagt ihr doch nicht, dass sie Mundgeruch hat!“
Ich behielt damals leider mein Gegenzitat fĂŒr mich: „Wenn sie aber Magenkrebs hat, sollte man ihr das vielleicht doch sagen!“
Jedenfalls wurden die Ortschaften zusammengefĂŒhrt und damit hatte das Land erst mal erreicht, was es geplant hatte, es gab nicht nur eine grĂ¶ĂŸere Verwaltungseinheit, sondern die Stadt Quedlinburg hatte auch noch einen Schuldenberg ĂŒbernommen, der gar nicht von ihr eingefahren worden war, fĂŒr den eigentlich das Land Sachsen-Anhalt selbst mit seiner Hinhaltetaktik verantwortlich war! Und das noch zusĂ€tzlich zu mehr als zehn Millionen Euro eigener QLB-Schulden. So viel TrĂ€umerei musst Du dir erst einmal auf der Zunge zergehen lassen, lieber Prof. Naseweiss!

Und dann gab es diesen Lenkungskreis, dem auch zwei Magdeburger StaatssekretĂ€re angehörten, (siehe oben!). In ihm wurde der Verkauf weit vorangetrieben, konnte allerdings nicht zu Ende gefĂŒhrt werden, weil wiederum ein geniales Gerichtsurteil die Verwaltungsgemeinschaft von der Stadt abspaltete (so viel u. a. auch zum Thema verschwendete Steuergelder!). Das kostete alle Beteiligten noch einmal richtig Geld!
In der Zeit der Diaspora fand dann tatsĂ€chlich der Verkauf des Kurzentrums statt, nur leider an den falschen SchnĂ€ppchenjĂ€ger. Es war noch nicht zu Ende gelitten, da hatten die Magdeburger bereits ein schnelles Gesetzt gebastelt, das alles wieder in seine Ausgangslage zurĂŒck schnappen ließ. Es war einfach fantastisch – sich das mal als BĂŒrger so mit anzusehen, nicht wahr? Hoffentlich hast Du den fĂŒr dieses Geschehen Verantwortlichen auch anonyme Briefe geschrieben – oder etwa nicht?

So, und nun sind wir wieder damit beschÀftigt und bilden eine neue Lenkungsgruppe und spuren uns unter Anleitung von zwei StaatssekretÀren erneut in die alten Gleise ein. Findest Du das nicht auch ein wenig dröööge?
Das Mitglied der Stadtratsfraktion BFQ Dr. Bernd MĂŒhlhĂ€usler will eigentlich nichts anderes, als einen Zwischenruf landen: „Genau jetzt, liebe Leute, wĂ€re die Zeit reif, einen Augenblick innezuhalten und nachzudenken und zu fragen: Was ist hier die beste Lösung? Gebt uns die Zeit fĂŒr ein Moratorium, eine intelligente Runde zur Findung des bestmöglichen Ergebnisses, denn das Kurzentrum Bad Suderode ist nicht wertlos!“

Und noch etwas, mein lieber Anonymus, was Du gĂ€nzlich vergessen hast – das sind die Menschen. Bei all Deinen ZĂ€hlchen-Spielereien kommen die BĂŒrger des Ortes ĂŒberhaupt nicht vor, weder die Gewerbetreibenden, noch die Angestellten des Kurzentrums, noch die Gesundheit Suchenden. Und auch nicht der Effekt eines Kurzentrums fĂŒr die gemeinsame Stadt Quedlinburg. Aber genau diese Kritik war der Schwerpunkt des offenen Briefes, den Dr. MĂŒhlhĂ€usler an unseren Landesvater geschrieben hat!

UNESCO-Welterbestadt Quedlinburg mit eigenem Kurzentrum und Heilbad.

Hört sich doch gar nicht schlecht an – man muss nur trĂ€umen können!

Indem ich diese Antwort schrieb, drĂ€ngte sich mir immer stĂ€rker der Gedanke auf, dass Du eigentlich nur eigennĂŒtzige Interessen vertrittst. Bist Du vielleicht der Wolf im Schafspelz oder gar die böse Stiefmutter unserer Kommune? Am besten wird sein, wenn Du uns einmal besuchst.
Dann kannst Du uns auch erzÀhlen, warum Du nachts herumschleichst und irgendwelche komischen Briefe in unsere KÀsten steckst.

Wir sind fĂŒr (fast) jeden offen!

Dein Christian Amling

Teilen

Eine Antwort auf „Kurzentrum: Unsere Antwort auf einen anonymen Brief“

  1. Der anonyme Schreiberling scheint seine Bildung aus der Bild (oder Ă€hnlich gearteter Publikationen) zu haben, so dass er nachplappert, was in den meisten Medien vorgeplappert wird. Die Kosten, welche die Privatisierung des Kurzentrums bis jetzt schon verursacht hat, von weitreichenden Folgen nicht nur fĂŒr die kleinteilige Wirtschaft in Bad Suderode ganz zu schweigen, spielen keine Rolle. Das dabei das Ende der Fahnenstange lange noch nicht erreicht ist, sollte zumindest jedem frei denkenden und politisch engagierten Menschen bewusst sein. Leider sind letztere im Rat der Stadt eine Ausnahmeerscheinung, die Ratsmehrheit betet in der Regel die neoliberalen Wirtschaftsdogmen nach, welche permanent gepredigt werden und in der Gesellschaft eine weite Verbreitung gefunden haben. Allgemeine ökonomische ZusammenhĂ€nge werden so mancher vorgeblichen Alternativlosigkeit geopfert, ohne ernsthaft ĂŒber diese ZusammenhĂ€nge und Alternativen nachzudenken. Glaube an wirtschaftliche ZusammenhĂ€nge wird gepflegt und ersetzt das Wissen darĂŒber. Wissen ĂŒber solche ZusammenhĂ€nge wird zweckentsprechend ignoriert und sogar bekĂ€mpft.
    Dabei wĂ€re es unter UmstĂ€nden ausreichend den gesunden Menschenverstand zu bemĂŒhen, wobei die Praxis ökonomischen Seins die besten Beweise fĂŒr die Folgen derartiger Privatisierungen liefert. Das offensichtlichste Beispiel sind die Folgen der weitestgehenden Deindustrialisierung, mittels Privatisierung der wirtschaftlichen Substanz, des Ostens dieses Landes nach 1989. Der allgemeine BevölkerungsrĂŒckgang spricht BĂ€nde und fĂŒhrt bei den Verantwortlichen zu anhaltendem Klagen, meist wird allerdings der demographische Wandel als Ursache und nicht als Folge wirtschaftlicher VerĂ€nderungen gesehen. Aber auch andere Beispiele sind zu finden, so im Reich des Thalenser BĂŒrgermeisters, wo vor Jahren eine Therme errichtet wurde, welche der Stadt 30 Jahre lang ca. œ Millionen pro Jahr kostet und das garantiert. Die so genannte öffentliche Hand, (Land, Bund, EU, Kommune etc.) förderte das Vorhaben mit 50% Zuschuss zu den Erstellungskosten. Eigentlich gehört dieses Objekt in öffentliches Eigentum, aber hier wurde a priori privatisiert! Und was haben die BĂŒrger davon? Sie können planschen gehen, der zu entrichtende Obolus ist allerdings nicht gerade als Preiswert anzusehen. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass der jetzige MinisterprĂ€sident im Zuge damaliger Diskussionen schon verkĂŒndet hat, dass das Land eine Privatisierung des Kurzentrums in Bad Suderode unterstĂŒtzen wird. In jedem Fall hat das Land im Zuge der Gebietreform die Voraussetzungen fĂŒr eine Privatisierung des Kurzentrums geschaffen, in dem die Verantwortung der Stadt Quedlinburg ĂŒbertragen wurde. Dabei waren die mit dem Kurzentrum verbundenen Kosten nicht die einzige Last, welche von der Stadt Quedlinburg im Zuge der Gebietsreform ĂŒbernommen werden musste. DafĂŒr hatte die Stadt in Folge aber auch wieder einen OberbĂŒrgermeister! …

Die Kommentare sind geschlossen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner