Wieviel Ausnahmegenehmigungen verträgt ein Weltkulturerbe noch?

Kontrastprogramm oder Provokation? Der Gestaltungssatzung entspricht das jedenfalls nicht.

Man wagte es kaum noch zu hoffen, aber das „WoWi-Kaufhaus“ – gelegentlich hört man auch „Obstkiste“ – scheint langsam der Fertigstellung entgegen zu sehen.

Applaus! … Doch wofür?

An markanter Stelle in der Quedlinburger Innenstadt ist wieder einmal ein moderner Lückenbau entstanden. Das wäre durchaus ein Grund um Feiern. Ist es aber leider nicht, denn was da gebaut wurde, erhitzt die Gemüter und wirft Fragen auf.
Abgesehen von dem plötzlichen und nicht wirklich nachvollziehbaren Abriss des zugegebener Maßen auch nicht schönen Vorgängergebäudes muss man die Frage stellen, wozu es denn in Quedlinburg eigentlich eine Gestaltungssatzung gibt und für wen sie gilt.
Was würde wohl passieren, wenn ein gewöhnlicher Bürger sein Haus mit Flachdach, zweifelhafter Fassadenverkleidung aus Kunststoff und unbeschreiblich hässlicher Hofansicht bauen wollte? Es würde wahrscheinlich aus dem Rathaus gejagt werden.
Aber wenn ein DRK oder eine WoWi kommen, dann geht es trotzdem. Warum?

Die Wohnungen, besonders die in den oberen Etagen, sollen ja sehr schön sein und eine wirklich schöne Aussicht bieten. Weiter unten kann man sich kaum vorstellen, dass genügend Tageslicht in die Zimmer fällt. Aber die Nachfrage ist groß wie man hört, und eine Reihe von Mietern ist auch schon eingezogen.

Anhand der Geschäfte im Erdgeschoss möchte ich die Frage aufwerfen, ob wir nicht langsam genug dieser größeren Geschäfte haben – diesen von den „Einzelhandelsgutachtern“ so genannten Filialisten. Diese wollen uns doch allen Ernstes einreden, dass inhabergeführte kleine Einzelhandelsgeschäfte in der heutigen Zeit unwirtschaftlich und deshalb nicht konkurenzfähig sind.
Dabei sind es genau diese kleinen sehr individuellen Geschäfte und Gaststätten, die neben der Bausubstanz selbst den Reiz Quedlinburgs für unsere Gäste (und die Einwohner) ausmachen! Und wenn sie nicht laufen, dann liegt es eher am Sortiment, den Öffnungszeiten, fehlender Kundenfreundichkeit oder manchmal auch einfach nur an der nicht optimalen Lage. Liebe Einzelhändler: Lasst Euch nichts einreden und beweist mit einer Qualitätsoffensive und zeitgemäßen Öffnunszeiten, dass Ihr besser seid! Und ich meine „echte und erlebbare“ Qualität – nicht irgendwelche Zertifikate, die keiner braucht!
Mit den Geschäften in der Steinbrücke wurde ein sehr guter Anlaufpunkt für die Einkaufskundschaft in der Quedlinburger Innenstadt geschaffen. Man darf es aber nun nicht übertreiben. Das Schuhgeschäft im WoWi-Kaufhaus könnte schon zuviel zu sein. Wir werden es anhand der Reaktionen von Einwohnern und Gästen sehen.

Wieder muss ein Geschäft in einer Baustelle eröffnen!
Wieder muss ein Geschäft in einer Baustelle eröffnen!

Bleibt nun nur noch die ehemalige Drogerie, die wieder belebt werden muss. Und eine Drogerie an dieser Stelle wäre tatsächlich eine gute Idee. Die nächsten Wochen werden zeigen, was hier passiert. Nachdem eine Anfrage von Rossmann abgewiesen wurde, weil das Soriment zu sehr mit der Parfümerie gegenüber konkurieren würde, soll nun DM an diese Stelle. Jedoch muss dazu angeblich im Hof angebaut werden. Ob das wirklich eine Bedingung von DM, oder der Wunsch der Eigentümerin bzw. des Architekten ist, weiß im Moment niemand so genau …

Auch im Hof darf es so etwas nicht geben! Hässlicher geht nicht.
Auch im Hof darf es so etwas nicht geben! Hässlicher geht es nicht – und im Weltkulturerbe schon gar nicht..
Ist hier noch etwas zu retten? Wohl kaum.
Ist hier noch etwas zu retten? Wohl kaum.

Angesichts des durch die bereits realisierten Bausünden (WoWi-Kaufhaus und ehemals „Ihr Platz“) könnte man sagen: Der Hof ist sowieso nicht mehr zu retten. Wer will sich in einem Umfeld, das auch der Erholung der Anwohner dienen soll und in dem Kinder spielen sollen, schon diese Betonwüste antun?
Aber trotzdem muss hier mal Schluss sein! Quedlinburg muss endlich mal konsequent zu seinen Denkmälern und dem Welterbe stehen – und diese im Zweifel auch mal über kurzfristige Wirtschaftsinteressen und allgemeine Moden und Trends unserer Zeit stellen.

S. Kecke

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