Quedlinburg und der lange Weg zur „fahrradfreundlichen Kommune“

Am 12.12.2019 beschloss der Stadtrat der Welterbestadt Quedlinburg:

Die Welterbestadt Quedlinburg setzt den Grundsatzbeschluss des Stadtrates vom 29.04.2015, die Stadt zu einer Fahrradfreundlichen Kommune entwickeln zu wollen um und schließt sich zu diesem Zweck der in Gründung befindlichen AG Fahrradfreundliche Kommunendes Landes Sachsen-Anhalt an.
siehe: Dokumente im Ratsinformationssystem

Im Sachstand zum Landesradverkehrsnetz und zur Umsetzung des Beschlusses des StR „Fahrradfreundliche Stadt“ werden die Ausgangslage, überregionale Randbedingungen und Handlungsfelder für den Radverkehr in Quedlinburg beschrieben.
Aber getreu dem Grundsatz „Papier ist geduldig“ hört man aus der Stadtverwaltung und der lokalen Presse zu diesem Thema seither … nichts.

Sollte das nicht auch ein Thema im aktuellen Wahlkampf um das Amt des künftigen Bürgermeisters sein?

Zumindest beim Kandidatenforum am 1. März im Palais Salfeldt spielte dieses Thema so gut wie keine Rolle. Auf Fragen bzgl. der Verbesserung der Bedingungen für Radfahrende in Quedlinburg wurde vom amtierenden OB Ruch lediglich auf einzelne Radwege im Außenfeld, wie z.B. dem nach Bad Suderode und dem in Richtung Halberstadt, verwiesen.

Regelrecht befremdlich für mich war es, dass statt auf das Thema näher einzugehen, die „renitenten Radfahrer“ und mögliche Maßnahmen gegen sie in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt wurden.
Damit wurde deutlich, dass OB Ruch nach wie vor im alten Denken verharrt. In dieser Welt ist die natürliche Fortbewegungsform des Menschen das private Auto. Alles andere wird bestenfalls geduldet und keinesfalls gefördert. Fußgänger und Radfahrer haben sich dem motorisierten Individualverkehr unterzuordnen.
Daran werde ich im Schnitt einmal pro Monat erinnert, wenn mir Autofahrer und -fahrerinnen wie selbstverständlich beim Rechtsabbiegen die Vorfahrt nehmen und sich keiner Schuld bewusst sind.

Diese konservative Grundeinstellung zeugt davon, dass die dringende Notwendigkeit der Verkehrswende in Teilen Quedlinburgs noch nicht angekommen zu sein scheint. Das ist fatal, und für mich einer von mehreren Gründen, Herrn Ruch nicht zu wählen.

Dabei bin ich auch ein Autofahrer. Ich fahre sogar gern Auto. Aber ich gehe auch gern zu Fuß, und wo ich kann, nutze ich in Quedlinburg das Fahrrad. Wir werden in unserer strukturschwachen und ländlichen Region das Auto weiterhin brauchen, denn es gibt ja keine Alternative. Im Gegensatz zu modernen Großstädten und Ballungsräumen gibt es bei uns keinen öffentlichen Nahverkehr, der diesen Namen auch nur im Ansatz verdient. Das Bahnnetz sträflich vernachlässigt, das Busnetz viel zu dünn, kein einheitlicher Tarif, und von modernen und innovativen Ansätzen keine Spur.

Wenn schon der öffentliche Nahverkehr wirklich ein großes Problem darstellt, welches eine Kommune keinesfalls schnell und allein lösen kann, so sollte doch wenigstens die Idee einer modernen lebenswerten Stadt, in der sich Fußgänger und Radfahrer frei und sicher bewegen können, in Quedlinburg so langsam ankommen. Und die halbe Welt macht es uns inzwischen vor, dass das im 21. Jahrhundert eine Stadt mit so wenig wie möglich Autos in der Innenstadt sein muss. Menschen suchen Lebensräume, wo sich alle – jung und alt – frei und ungestört von Krach und Abgasen bewegen können. Immer weniger Menschen wollen urbane Räume parkenden Blechlawinen opfern.
Kleine Denksportaufgabe: Warum florieren Gaststätten und Geschäfte rund um den Markt, die Steinbrücke und den Schlossberg besser als zum Beispiel in der Pölkenstraße oder dem Steinweg?

Es kann sein, dass ich mit meinen Gedanken und Wünschen in Quedllinburg zu einer Minderheit gehöre. Dann muss ich natürlich die Mehrheitsmeinung akzeptieren. Auch wenn dann Menschen wie ich lieber wegziehen oder gar nicht erst nach Quedlinburg kommen wollen. Aber auch das ist Demokratie.

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