Leserbrief zum MZ-Artikel „Schöner Anblick in Gefahr?“

Beim andiskutierten „Industriegebiet Quarmbeck“ geht es nicht nur um den Anblick!

Der Harz und seine nördliche Vorlandschaft sind ökologisch sehr artenreiche Landschaften. Deshalb erhielten diese Gebiete fast flächendeckend den Status „Landschaftsschutzgebiet“, eingesprenkelt mit vielen Naturschutzgebieten (z.B. Bodetal, Bodeaue) oder Naturdenkmälern (z.B. Teufelsmauer, Lehof).

Letztens wurde in Ihrem Blatt gerade erörtert, dass auf unseren Autofrontscheiben keine toten Insekten mehr kleben und dass man immer weniger Singvögel sieht. Wann ist Ihnen zum Beispiel das letzte Mal ein Hase oder ein Fasan über den Weg gelaufen, vielleicht nur eine Maus oder ein Feuersalamander? Wann begegneten Sie einem Sperling? Denken Sie daran, dass unsere Enkel derartige Erlebnisse auch noch haben wollen.

Tiere und Pflanzen benötigen einen geeigneten Lebensraum. Dieser wird jedoch immer weiter reduziert, nicht nur durch den „Sündenbock“ Landwirtschaft, sondern ebenso stark durch den Bau von Straßen, Wohn-, Gewerbe- und Industrie-Gebieten. Eine wesentliche ökologische Rückzugsfläche ist der etliche Hektar große ehemalige Truppenübungsplatz Quarmbeck.

Wenn Sie der ökologische Aspekt weniger interessiert, kommen wir vielleicht einmal zum Geld und zur Sinnhaftigkeit der Überlegung. Zum Statement von Baudezernent Malnati: Ohne langwierige Debatten wird uns wohl kaum ein Unternehmen „hochwertige Industrie-Architektur“ ins Vorharzer Niemandsland stellen. Aber gerade diese Debatten wollen die potenziellen Investoren ja nicht!

Viel Geld des Steuerzahlers (wo immer er auch zahlt) wird zuerst einmal das Unternehmen verdienen, das das Industriegebiet Quarmbeck plant, und noch viel mehr die Unternehmen, die die vorzuhaltende Infrastruktur aufbauen. Nicht zu vergessen den Altmunitions-Suchdienst!

Schön wäre, wenn diese Firmen wenigstens aus Quedlinburg kämen …

Und wer werden dann die potenziellen Investoren sein? Ist deren Karawane nicht längst in den Wilden Osten weiter gezogen? Ein Industriegebiet haben wir ja bereits weitgehend mit Solarmodulen gefüllt; nicht, dass uns das auch noch in Quedlinburgs Süden passiert …! Und was ist überhaupt mit der Magdeburger Straße? Etwas Fläche hätten wir doch dort vielleicht noch – unter Umständen gemeinsam mit Ditfurt?

Ich trenne mich jetzt also von dem Industrie-Gedanken und wage zwei alternative Vorschläge.

Viele Millionen Touristen besuchen Quedlinburg und seine Umgebung. Sie und auch die Einheimischen könnten noch viel mehr Geld in die Stadt bringen. Trotz großer Fortschritte gibt es in Quedlinburg noch eine Menge für Handwerksbetriebe zu tun und viele Läden und kleine Betriebe warten auf eine Neueröffnung. Dafür muss die Stadt Werbung machen! Viele Private, Gaststätten und Übernachtungsbetriebe warten auf Mehrtagesgäste, die nicht nur im Welterbe flanieren möchten, sondern auch in einer herrlichen Landschaft Wandern, Radfahren oder Wintersport treiben wollen. Dafür muss die Stadt Werbung machen! Quedlinburg ist ein Ort der Kultur mit einzigartigen Galerien und Ausstellungen. Hier leben überdurchschnittlich viele Künstler. Auch das Julius-Kühn-Institut könnte sich mit seinen Mitarbeitern noch viel stärker einbringen. Dafür muss die Stadt Werbung machen!

Und zweitens besitzen wir durchaus innerstädtische Industriebrachen: Denken wir nur an Klopstock- und Rambergsweg! Es tut weh, dort Gebäudekomplexe vergammeln zu sehen, in denen einst viele Hunderte Arbeit fanden. Und mannigfaltige weitere ungenutzte Gewerbe-Standorte warten auf eine Wiederbelebung. Widerstände sind da, um überwunden zu werden!

Es ist nur etwas mehr Wissen und Fantasie gefragt!

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