Belebung der Quedlinburger Innenstadt oder parkende Autos – wir müssen uns entscheiden

Kommentar zum MZ-Artikel vom 4. Dezember 2021

Die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) berichtete in ihrem Artikel Nicht nur Straßenbau im Quedlinburger Steinweg über eine besondere Form des Bürgerengagements im Zusammenhang mit der vorgesehenen Sanierung eines Teils der „Quedlinburger Null“.
Es handelt sich um den Steinweg zwischen der Bockstraße und der Weberstraße.

Gefragt sind Fotos, Postkarten und Informationen darüber, wie dieser Teil des Steinwegs in früheren Zeiten ausgesehen hat. Eine interessante Idee, die sicher gern aufgenommen wird. Wir dürfen auf die Ergebnisse gespannt, über welche die MZ hoffentlich auch berichten wird.

Wie wir alle wissen, ist die Lage der Einzelhandelsgeschäfte auch in Quedlinburg durch die Verlagerung von immer mehr Einkäufen und Dienstleistungen auf die „grüne Wiese“ und in das Internet zunehmend kritisch. Beschleunigt wird dieser Prozess nun auch noch durch die Corona-Krise.
Es sind dringend Ideen gefragt, wie wir unsere schöne und einmalige Innenstadt auch in Zukunft mit Leben füllen und damit erhalten – für unsere Gewerbetreibenden, die Bürger, aber auch die Touristen. Viele von ihnen kommen gerade wegen der vielen kleinen und besonderen Geschäfte nach Quedlinburg.

Die Hoffnung darauf, dass sich die Menschen wieder besinnen und hier mehr einkaufen, um die Geschäfte zu retten, reicht mit ziemlicher Sicherheit nicht aus. Da hilft auch keine noch so gut gemeinte Plakatkampagne „Einkaufserlebnis historische Innenstadt“.

Es sind zwingend neue Konzepte gefragt

Alle Beteiligten müssen in die Zukunft schauen und die „Quedlinburger Null“ neu denken.
Dabei ist ein Blick in die Vergangenheit und auf „bessere Zeiten“ auf jeden Fall ein guter Ausgangspunkt. Dann aber ist ein Blick in die Zukunft und nach außen – „über den Tellerrand“ – nötig, um erfolgreiche Ansätze anderer vergleichbarer Städte in Europa und darüber hinaus zu finden, welche man bewerten und ggf. berücksichtigen kann.

Geht gar nicht: „Man soll hier parken und entlanglaufen können“

Was aber mit ziemlicher Sicherheit nicht geht, ist das im obigen MZ-Artikel genannte Ziel „Man soll hier parken und entlanglaufen können …“.

Nein, man soll hier nicht parken können!

Das ist ein Relikt der Vergangenheit, in der Blechkarossen uns Menschen den Lebensraum genommen haben. Dieser muss zurückerobert werden. Ansonsten prognostiziere ich, dass das Ganze niemals funktionieren wird.
Wir sehen doch seit Jahrzehnten, dass genau die Teile der „Null“ nicht oder nur schlecht funktionieren, in denen der fließende und ruhende Verkehr die Menschen vertreibt. Wie lange wollen wir denn davor noch die Augen verschließen? Viele andere Kommunen schlagen längst einen anderen Weg ein. In einer zukunftsfähigen Stadt, in der sich Menschen wohlfühlen, werden Autos bewusst verdrängt.

Natürlich ist die Welt nicht schwarz/weiß. Mir ist bewusst, dass wir heute und in naher Zukunft unsere Autos noch benötigen. Noch gibt es auch in Quedlinburg keine wirklichen Alternativen. Der ÖPNV ist praktisch nicht existent, und Radfahren wird durch die Fahrbahnbeschaffenheit und viel zu viele Verbotsschilder behindert. Und natürlich müssen auch in Zukunft Handwerker und Lieferfahrzeuge ihre Ziele erreichen können sowie Anwohner irgendwo ihre Autos parken können.
Aber der private fließende und vor allem ruhende Verkehr muss zumindest zum großen Teil raus aus dem öffentlichen Raum der Innenstadt. Daran kommen wir früher oder später nicht vorbei. Entweder wir finden andere und bessere Möglichkeiten der Mobilität in der Stadt, oder die Autos verschwindet zusammen mit den Menschen, die dann nicht mehr in Quedlinburg leben möchten. Soweit darf es aber nicht kommen.

Deshalb sollte das Ziel der Neukonzipierung des Steinwegs dringend nachgeschärft und geändert werden. Sonst verhindert man fatalerweise die Zukunft mit der asphaltierten – oder im Falle Quedlinburgs – der gepflasterten Vergangenheit.
Unter der bisherigen Zielstellung würde ich mich jedenfalls nicht beteiligen und das Vorhaben nicht unterstützen. Nicht als Stadtrat und nicht als Bürger dieser Stadt.

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4 Antworten auf „Belebung der Quedlinburger Innenstadt oder parkende Autos – wir müssen uns entscheiden“

  1. Ein sehr guter Ansatz: Lebensqualität für ALLE – vor allem für diejenigen, die hier wohnen, aber als guten Nebeneffekt eben auch für die Gäste. Da sind aber auch gute Ideen und Vernetzungen gefragt, um eben auch die Autos der hier Wohnenden zu parken.

    1. Natürlich müssen und sollen die Autos der in der Innenstadt Wohnenden an geeigneten Stellen – vielleicht in Innenhöfen oder neuen Tiefgaragen – geparkt werden. Aber bitte so wenig wie möglich im öffentlichen Raum. Der sollte den Menschen zur Verfügung stehen.

      1. Für diese Möglichkeit hätte es eine Lösung geben können, wenn man anstelle des abstrakten Wohnhauses Schmale Straße Ecke Dovestraße ein entsprechend des Stadtbildes konstruierten Parkhauses errichtet hätte und man auf diese Weise die angrenzenden Straßen teilweise oder ganz vom ruhendem Verkehr befreit hätte ganz besonders die Grabengasse.

  2. so ist es – immerwieder – die betroffenen werden zuletzt oder garnicht gefragt ist normale bürgernähe 👍(anmerkung helm‘)-wer wird im “städtischen aussenring“ parken um dann mit einem “mitgebrachten“ fahrrad zum einkaufen zufahren oder mit diesem seinen einkauf nach hause zubringen und wo wäre die “wechselstation “?- “tiefgaragen“wer meckert zu erst über …? pläne gab es schon vor 15 jahren-äußerungen ohne lösungsvorschlag sollten vor der veröffentlichung doch nochmal überdacht werden

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