Bloß nicht denken – und schon gar nicht öffentlich!

Als ich am letzten Wochenende in einem gemĂŒtlichen Quedlinurger CafĂ© die Mitteldeutsche Zeitung durchblĂ€tterte, stieß ich unverhofft auf einen Artikel, wie man ihn in dieser Zeitung selten findet: Der Harz – Die Toskana des Nordens.

Dort werden von einer Projektgruppe des Bauhauses Dessau Zukunftsszenarien fĂŒr die Harzregion entworfen: „Sachsen-Anhalt im Jahr 2050 – wie gestaltet sich das Leben angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung? Ein Landschaftsraum wird zur eigenstĂ€ndigen Wirtschafts- und Verwaltungszone.“

In diesem Beitrag, welcher eines von 3 Szenarien beschreibt, werden folgende Fragen aufgeworfen:

„Was wĂ€re eigentlich, wenn es diese LĂ€ndergrenzen nicht gĂ€be? Was wĂ€re, wenn der Harz ein eigenstĂ€ndiges Oberzentrum bilden wĂŒrde? Und was passierte, wenn dieses sich mit dem Budget, das ihm laut Einwohnerzahl aus den Landeshaushalten zusteht, selbst verwalten wĂŒrde?

Interessanter Denkansatz! Wir werden in eine mögliche Zukunft entfĂŒhrt, in der losgelöst von bestehenden Strukturen die Kulturlandschaft Harz als Einheit beschrieben wird, die in der Lage ist, ihre Potenziale auszuspielen und sich selbst zu verwalten. Eine S-Bahn Ă€hnliche Ringbahn katapultiert den öffentlichen Nahverkehr in eine sinnvolle, ökologische und attraktive Zukunft. Orte rund um den Harz verschmelzen, Die UniversitĂ€t Clausthal und die Gymnasien bilden eine Hochburg der Bildung und die vielen Touristen werden durch ein gemeinsames Marketing bestens betreut. Aber lesen Sie selbst … siehe Link oben.

Einen Tag spĂ€ter die ErnĂŒchterung in ebendieser Zeitung. Unter der Überschrift „Geteilte Reaktionen auf Zukunftsvision“ holen uns „unsere Politiker“ sogleich auf den Boden der bundesdeutschen RealitĂ€t zurĂŒck.

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Wieviel Ausnahmegenehmigungen vertrÀgt ein Weltkulturerbe noch?

Kontrastprogramm oder Provokation? Der Gestaltungssatzung entspricht das jedenfalls nicht.

Man wagte es kaum noch zu hoffen, aber das „WoWi-Kaufhaus“ – gelegentlich hört man auch „Obstkiste“ – scheint langsam der Fertigstellung entgegen zu sehen.

Applaus! … Doch wofĂŒr?

An markanter Stelle in der Quedlinburger Innenstadt ist wieder einmal ein moderner LĂŒckenbau entstanden. Das wĂ€re durchaus ein Grund um Feiern. Ist es aber leider nicht, denn was da gebaut wurde, erhitzt die GemĂŒter und wirft Fragen auf.
Abgesehen von dem plötzlichen und nicht wirklich nachvollziehbaren Abriss des zugegebener Maßen auch nicht schönen VorgĂ€ngergebĂ€udes muss man die Frage stellen, wozu es denn in Quedlinburg eigentlich eine Gestaltungssatzung gibt und fĂŒr wen sie gilt.
Was wĂŒrde wohl passieren, wenn ein gewöhnlicher BĂŒrger sein Haus mit Flachdach, zweifelhafter Fassadenverkleidung aus Kunststoff und unbeschreiblich hĂ€sslicher Hofansicht bauen wollte? Es wĂŒrde wahrscheinlich aus dem Rathaus gejagt werden.
Aber wenn ein DRK oder eine WoWi kommen, dann geht es trotzdem. Warum?

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Was ist mit der WoWi los?

Die Wohnungswirtschaftsgesellschaft mbH Quedlinburg – kurz WoWi, eine Tochtergesellschaft der Stadt Quedlinburg sollte doch vor allem im Interesse ihres Gesellschafters, nĂ€mlich der Stadt Quedlinburg handeln.

Neben dem KerngeschÀft, dem Verwalten des kommunalen Wohnungsbestandes, fallen der WoWi in der Welterbestadt Quedlinburg zusÀtzlich Aufgaben zu, die eine Welterbestadt auszeichnen.
So muss sie sich insbesondere der großen (nationalen) Aufgabe des Erhalts des Welterbes verpflichtet fĂŒhlen. Damit fallen ihr vor allem im sogenannten inneren Sanierungsgebiet, welches des Welterbe enthĂ€lt, besondere stadtplanerische Aufgaben zu. Die Stadt und ihre Bauverwaltung mĂŒsste mit der WoWi einen starken Partner fĂŒr dieses gemeinsame Ziel haben.

Was aber passiert in Quedlinburg?

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Schwarzer Donnerstag fĂŒr den Quedlinburger Stadtrat

Am 22.11.2012 hat sich der Stadtrat von seiner bĂŒrgerunfreundlichsten Seite gezeigt.

Zum Entsetzen der Abgeordneten des BĂŒrgerforums (BfQ) wurde der Tagesordnungspunkt, in dem es um die Schließung des Kurzentrums Bad Suderode zum 30.6.2013 ging, nach „KlĂ€rung eines Sachverhaltes“ wieder auf die Tagesordnung gesetzt und behandelt.

Der Grund fĂŒr die Absetzung war ein Schreiben an den MinisterprĂ€sidenten, der sich nach Aussage des OrtsbĂŒrgermeisters Bad Suderode am kommenden Montag Ă€ußern wollte.

Der „Sachverhalt“ bestand darin, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU den Grund fĂŒr die Absetzung nicht akzeptieren wollte und sich mit dem MinisterprĂ€sidenten in Verbindung setzte. Dessen Aussage deckte sich nicht mit der Aussage seines BĂŒros gegenĂŒber Herrn Sauer. Das wurde zum Anlass genommen, den Punkt wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

So weit – so gut.

Weshalb wir ĂŒber dieses Vorhaben, welches dann auch tatsĂ€chlich durchgezogen wurde, entsetzt waren, ist der Umstand, dass die vielen GĂ€ste, die die Debatte verfolgen wollten, inzwischen im guten Glauben, dass dieser Punkt an diesem Abend nicht behandelt wird, lĂ€ngst den Saal verlassen hatten.

Wir distanzieren uns ausdrĂŒcklich von diesem Verhalten des Stadtrates, mit dem er mehrheitlich demonstrierte, was ihm die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger wert sind. Stadtrat Seidel (CDU) verhöhnte obendrein noch die Öffentlichkeit, indem er meinte, dass es den GĂ€sten doch freigestanden habe, die Sitzung trotzdem weiter zu verfolgen.

Aus Protest gegen diesen Ablauf der Sitzung haben die Abgeordneten des BĂŒrgerforums gegen die Schließung des Kurzentrums zum 30.6.2013 gestimmt.

Liebe Quedlinburger und Neu-Quedlinburger,

wenn Sie in Zukunft weiterhin so behandelt werden wollen, dann wÀhlen Sie ruhig weiter CDU oder SPD. Damit ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass Sie auch weiterhin nichts zu sagen haben.

S. Kecke

Neues aus Kirche und Stadt

FĂŒr den Stadtrat am 19. 07. 2012 hatte die Verwaltung eine Vorlage erarbeitet, die im nichtöffentlichen Teil behandelt werden sollte. Sie erschien unter dem Namen:

Richtungsentscheidung zur Umsetzung des neuen Nutzungs- und PrĂ€sentationskonzeptes fĂŒr den Stiftsberg in Quedlinburg

Der Beschlussvorschlag lautete:

Der Stadtrat beauftragt den OberbĂŒrgermeister, auf der Basis des von der ARGE culture concepts/KK architekten erarbeiteten Nutzungs- und PrĂ€sentationskonzeptes (Kurzfassung als Anlage), mit der FortfĂŒhrung der GesprĂ€che zwischen den Vertretern des Gemeindekirchenrates des evangelischen Kirchspiels Quedlinburg und der Domschatzverwaltung Quedlinburg/Halberstadt sowie der Stadt Quedlinburg mit der Zielstellung der Umsetzung eines gemeinsamen Betreibermodells.

Schon seit einigen Monaten erscheint es mir sehr wichtig, diesen wesentlichen Sachverhalt öffentlich zu diskutieren, denn er betrifft die im wahrsten Sinne des Wortes „Heiligste Kuh“ der Quedlinburger, das Schloss mit der Stiftskirche, unter UmstĂ€nden sehr tiefgreifend. Einigen Mitgliedern des Rates und der Verwaltungsspitze ist diese Vorstellung wohl nicht sehr angenehm, denn Volkes Stimme ist unberechenbar. Aber damit muss man in einer Demokratie leben!

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BĂŒrgerbeteiligung ernst gemeint?

Am 15. Mai fand von 19:00 Uhr bis ca. 21:30 Uhr im Festsaal des Rathauses eine BĂŒrgerinformationsveranstaltung zum kĂŒnftigen Stadtentwicklungskonzept statt.Ein eigentlich wichtiger Termin.

Wussten Sie davon?

Sicher, der Termin war im Amtsblatt veröffentlicht worden. Nur leider gibt es immer noch weiße Flecken auf der „Amtsblatt-Landkarte“ der Stadt Quedlinburg.
Auf intensive Nachfrage im Rathaus hin erschien dann am Freitag, also 4 Tage vor der Veranstaltung, noch eine kurze Information in der Tageszeitung.
Suchte man auf der Internetseite der Stadt danach, dann hatte man leider keine Chance. Bedauerlich.

Der OberbĂŒrgermeister lobte sich und die Stadtverwaltung in der EinfĂŒhrung des Abends, indem er auf die vergleichbar hohe Zahl von Veranstaltungen mit BĂŒrgerbeteiligung hinwies. Er vergaß aber zu erwĂ€hnen, dass dies infolge eines wachsenden Drucks immer besser organisierter engagierter BĂŒrger der Stadt hin so ist.
Aber in einer Stadt mit „ServicequalitĂ€t Deutschland“ reicht die QuantitĂ€t nicht aus. Hier ist in erster Linie QualitĂ€t gefragt.

Deshalb unser Vorschlag fĂŒr den Anfang:

Sehr geehrter Herr OberbĂŒrgermeister, bitte richten Sie auf der Internetseite der Stadt an hervorgehobener Stelle (auf der Startseite) einen gut sichtbaren Link zu einem Kalender mit allen geplanten Veranstaltungen im Rahmen der BĂŒrgerbeteiligung ein.
Dieser Kalender sollte auch alle Termine öffentlicher Auslegungen enthalten.
Jeder Termin sollte mit einer kurzen und fĂŒr alle verstĂ€ndlichen ErklĂ€rung zu Zweck und Inhalt der Veranstaltung ergĂ€nzt werden.

Vielleicht steigt damit die Wahrnehmung solcher Veranstaltungen und Auslegungen deutlich. So, wie es im Augenblick lÀuft, ist die Informationspolitik des Rathauses leider mangelhaft. Wer informiert sein will, muss aktiv eine Reihe von Hebeln in Bewegung setzen.
So geht das nicht! Wenn man jemanden wirklich erreichen will, dann muss man ihm entgegengehen! Oder will man nur seiner Pflicht GenĂŒge tun, ansonsten die BĂŒrger aber lieber weniger beteiligen?

Liebe Stadtverwaltung, beweisen Sie uns, dass wir uns tÀuschen!

Haushalt 2012 und Konsolidierung

Am 12.04.2012 befasst sich der Quedlinburger Stadtrat mit dem durch die Stadtverwaltung vorgelegten Haushalt 2012 und dem damit verbundenen Konsolidierungskonzept.

Im Vorfeld wurden beide Dokumente – zum Teil auch in der Öffentlichkeit – heftig diskutiert.
Stichworte: Kulturabgabe (Bettensteuer), Fremdenverkehrsabgabe.

Mit den folgenden Gedanken möchte sich das BĂŒrgerfrum Quedlinburg (BFQ) an der Diskussion beteiligen:

  1. Rahmenbedingungen und Hintergrund
  2. Haushaltslage der Stadt Quedlinburg
  3. Freiwillige Leistungen
  4. Konsolidierungspotenzial

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Heute schließe ich die Feininger-Galerie, morgen das Theater, … ach wie gut, dass niemand weiß …

Dieses aus einem bekannten MÀrchen entnommene und abgewandelte Motto scheint zum SelbstlÀufer in der öffentlichen Dikussion um Konsolidierung geworden zu sein.

Seit gestern geht die Meldung ĂŒber die KĂŒrzung des kĂŒnftigen Zuschusses des Landkreises Harz fĂŒr den Betrieb der Feininger-Galerie durch die lokalen Medien. Siehe Meldung der Mitteldeutschen Zeitung vom 07.12.2011.

Eine Gruppe engagierter Quedlinburger BĂŒrgerinnen und BĂŒrger versucht dieses Thema mit erheblichem persönlichen Aufwand in die Öffentlichkeit zu transportieren. Damit wollen sie retten, was noch zu retten ist. Ob es gelingt, wird man heute nach der entscheidenden Sitzung des Kreistages sehen.

Was passiert hier eigentlich?

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Der Niedergang des Quedlinburger Freibades – Ein Erinnerungsprotokoll

Viele Leser dieses Beitrags erinnern sich noch heute gern daran, als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener fröhliche Sommertage im Freibad in der Lindenstraße erlebt zu haben.

Die 1958 neu erbaute Badeanstalt war großzĂŒgig angelegt, drei Becken, ein Ruderteich, ausgedehnte LiegeflĂ€chen und ein netter Biergarten „Zur WalkenmĂŒhle“ boten den Menschen eine Menge Freizeitspaß. FußlĂ€ufig und mit dem Fahrrad war das Freibad aus der Stadt gut zu erreichen und entsprechend hoch der Besucherstrom im Sommer.

1990 ĂŒbernahm die neu organisierte Stadtverwaltung die BetriebsfĂŒhrung der Badeanstalt nach gut dreißigjĂ€hrigem Betrieb in einem mittelmĂ€ĂŸig vernutzten Zustand. Zu diesem Zeitpunkt begann aus meiner Sicht der eigentliche Niedergang des Quedlinburger Freibades.

FĂŒr uns, die Mitglieder des BĂŒrgerforums, erscheinen die nun folgenden Weichenstellungen als gutes Beispiel fĂŒr FehleinschĂ€tzungen und GleichgĂŒltigkeit seitens der kommunalen EntscheidungstrĂ€ger. Sie aufzuarbeiten ist fĂŒr uns wichtig, auch wenn wir damit das Geschehene nicht mehr rĂŒckgĂ€ngig machen und auch kein neues Freibad herbeizaubern können. Vielleicht aber rĂŒttelt dieser Beitrag einige BĂŒrger auf, sich mehr in das politische Tagesgeschehen einzumischen.

In meiner Erinnerung existieren fĂŒr das folgende Geschehen ein realer und drei psychologische GrĂŒnde.

Der reale Hauptgrund: Die Betriebskosten (Personal und technische Unterhaltung) konnten durch die Eintrittsreise lÀngst nicht eingespielt werden. Die Differenz ging jÀhrlich in die Hunderttausende D-Mark und musste von der Stadt als Betriebskostenzuschuss ausgeglichen werden.

Psychologie I: In den achtziger und neunziger Jahren wurden aus eben diesem Grunde in den alten BundeslĂ€ndern immer mehr derartige BĂ€der fĂŒr immer geschlossen. Zu alt, zu langweilig, zu teuer. Berater von dort, nicht vertraut mit unseren ZustĂ€nden im Osten, drĂ€ngten dazu, das defizitĂ€re Bad zu schließen, und Rat und Verwaltung schenkten diesen EinflĂŒsterungen zunehmend Gehör.

Psychologie II: In den Neunzigern entstanden rings um uns ultraneue SpaßbĂ€der, Kiesseen wurden zu Badelandschaften und man fuhr in den Ferien nach Mallorca, in die Karibik oder sonstwohin zum Baden. Wer brauchte da noch so ein hinterwĂ€ldlerisches Freibad wie in der Lindenstraße, nur mit einem Brausekiosk.

Psychologie III: FĂŒr mich der psychologische Hauptgrund; kaum ein Ratsmitglied oder EntscheidungstrĂ€ger der Verwaltung besuchte jemals das Freibad, viele hatten es Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr gesehen, manche kannten es gar nicht aus eigener Anschauung. Es gab seitens der ĂŒberwĂ€ltigenden Mehrzahl dieser Leute keine Identifikation mit dieser Badeanstalt.

Mitte der Neunziger Jahre ĂŒbergab die Stadt zur Kostensenkung die BetriebsfĂŒhrung des Freibades an ihre eigenen Stadtwerke. Schon zuvor hatte man beschlossen, nur minimale Summen in die Erhaltung zu stecken.

1997/98 entstand im Aufsichtsrat der Stadtwerke die Idee, eine moderne Hallen-/Freibadkombination in der Lindenstraße zu bauen. Darin sollte es Saunen, Restaurants und Wellnesbereiche geben. Ein Blockheizkraftwerk sollte das Bad mit Strom und WĂ€rme versorgen und zusĂ€tzlich Teile der Stadt. ParkplĂ€tze fĂŒr viele PKW sollten entstehen.

Eine schöne Idee, nur leider wĂŒrde sie zig Millionen DM kosten. Einen Großteil der Finanzierung hĂ€tte damals noch – unter gewissen UmstĂ€nden – das Land Sachsen-Anhalt ĂŒbernommen. FĂŒr den Rest mussten Investoren gewonnen werden.

Der ehemalige OberbĂŒrgermeister Rudolf Röhricht, sein Rechtsamtsleiter Herr Scheller und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende und GrundstĂŒcksmakler JĂŒrgen SĂ€nger (CDU) gingen dann auch auf die Suche nach einem Investorenkonsortium. Das sollte das restliche Geld fĂŒr den Bau aufbringen. Der unweigerliche Minusbetrag, der dabei durch Baufinanzierung, Kredite und laufenden Betrieb entstehen wĂŒrde, sollte von Stadt und Stadtwerken ĂŒber viele Jahre beglichen werden.

Mit meinem Gegenvotum stand ich damals auf ziemlich verlorenem Posten. Ich fand es sinnvoller, das alte Freibad mit einer noch ĂŒberschaubaren Summe von ein bis zwei Millionen DM zu sanieren. Auch dieses Geld hĂ€tte natĂŒrlich aufgebracht werden mĂŒssen. Die Stadt hatte in den Neunziger Jahren sehr hohe MillionenbetrĂ€ge in Straßen, StĂŒtzmauern, öffentliche GebĂ€ude, GrĂŒnanlagen, ParkplĂ€tze usw. gesteckt. Es wĂ€re lĂ€ngst an der Zeit gewesen, eine jĂ€hrliche RĂŒcklage fĂŒr das Freibad anzulegen. Man lachte mich aus und nannte den Einwand die „Amlingsche Armeleute-Variante“. JĂŒngst zu diesem Zeitpunkt war der Verwaltungshaushalt der Stadt erstmalig unausgeglichen.

Einige RĂ€te hielten es fĂŒr vernĂŒnftig, das Problem im Rat zu diskutieren, doch OB Röhricht bat uns dringend um Stillschweigen. Öffentliche Diskussion und das „Zerreden“ des Problems wĂ€ren reines Gift fĂŒr die Investoren, denn – wie wir ja wissen – „Kapital ist ein scheues Reh“.

Erst ĂŒber ein Jahr spĂ€ter war der Druck einiger Ratsmitglieder so groß, dass das Projekt im Bauausschuß der Stadt vom GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Stadtwerke, Herrn Wölfer vorgestellt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war schon einiges Geld in die Planung geflossen und von AlternativentwĂŒrfen wollte niemand etwas wissen.

Kurz danach, 1999, gab es einen neuen Stadtrat und das Problem verschwand wieder in der Versenkung. Die Finanzmisere in Stadt und Land weitete sich aus und 2000 stand eigentlich schon fest, dass man kein Investorenkonsortium finden wĂŒrde. Das Freibad verfiel inzwischen weiter.

Im Jahr 2001 begab sich der Aufsichterat dann endlich einmal vor Beginn der Saison selber in das Freibad und besah das Debakel mit eigenen Augen. Das Bad wurde schon seit Jahren mit einer Sondergenehmigung des Landkreises gefahren. Wir, die Aufsichtsrat-Mitglieder, sahen erstmalig, das die Böden des Nichtschwimmer- und des Schwimmerbeckens in einem sehr desolaten Zustand waren. Viele Kacheln lagen locker umher und man sah die Kies-UnterfĂŒtterung. Dadurch lief stĂ€ndig Wasser aus den Becken, demzufolge mussten Unmengen Trinkwasser nachgespeist werden. Unmengen von Chlor wurden nachdosiert, was wiederum nicht mehr bundesdeutschem Standard entsprach.

Sanierung wĂŒrde hier bedeuten, die Böden neu zu kacheln, eine Edelstahlwanne einzuschweißen oder eine Kunststoffabdichtung zu installieren. Außerdem wĂ€re eine moderne Wasseraufbereitung dringend nötig als Ersatz fĂŒr die betagte Chlorstation. Das hĂ€tte den Löwenanteil der Sanierungskosten ausgemacht.

Die Betonplatten um die Becken herum waren völlig ausgewaschen, rauh und teilweise schiefliegend, eine ernsthafte Verletzungsgefahr. Das Legen neuer Platten wĂ€re nach meiner Erfahrung als ABM-Maßnahem durchgegangen.

Der Ruderterteich war inzwischen an den Anglerverein verpachtet. Die Weiden zwischen Teich und Becken waren etwa 15 Meter hoch und warfen jede Menge Schatten, BlÀtter und Dreck auf die eigentliche Badestelle. Hier wÀre der Bauhof mit einer radikalen FÀllaktion gefragt gewesen.

Den Rest der sanierungswĂŒrdigen Elemente machten GelĂ€nder, Duschen und Umkleide- und SanitĂ€rtrakt aus.Diese MissstĂ€nde hĂ€tten sukzessive beseitigt werden können. Mit anderen Worten: Mit viel Elan und guten EinfĂ€llen hĂ€tte das Kind gerettet werden können.

Doch dann verschĂ€rfte sich die Situation. Durch den Verlust der MĂŒhlgrabenbrĂŒcke unterhalb der „Schorre“ gingen immer mehr Galgenberger ĂŒber das GelĂ€nde des Freibades. Die UmzĂ€unung wurde stĂ€ndig zerstört. Das Bad wurde zum Sicherheitsrisiko erklĂ€rt. Keiner wollt ean einem Absturz ins Schwimmbecken Schuld sein. Der Stadthaushalt geriet immer tiefer in die roten Zahlen. Die Investore hatten sich in Luft aufgelöst und die Armeleute-Variante wurde nicht mehr in Angriff genommen.

Im Jahr 2002 wirde das Freibad endgĂŒltig zu einem Fall fĂŒr die Gefahrenabwehr. Weil niemand mehr die Verantwortung tragen wollte, wies man ohne Wissen des Rates an, das Freibad innerhalb weniger Tage zuzuschĂŒtten.

Damit hatte sich der Kreis des kurzen Denkens geschlossen.

Einige Wochen spĂ€ter grĂŒndete sich die Arbeitsgruppe „BĂ€der“ des Stadtrates. Sie pinselt bis zum heutigen Tage mĂŒĂŸige Konzepte fĂŒr einen Badneubau. Doch den wird es in absehbarer Zeit nicht geben.

Christian Amling

MĂŒssen Quedlinburger nun zum Baden immer nach AuswĂ€rts fahren?

Wer gegenwĂ€rtig ĂŒber das GelĂ€nde des ehemaligen Freibades an der Lindenstraße lĂ€uft, kann sich nur schwer vorstellen, dass an dieser Stelle noch vor wenigen Jahren in den Sommermonaten reger Badebetrieb herrschte.

Das ZuschĂŒtten und Einebnen maroder FreibĂ€der ist eine Tradition in unserer Stadt, wenn man das Schicksal des unterhalb der Altenburg gelegenen ehemaligen Wipertibades betrachtet: Nachdem dieses ab 1838 betrieben worden ist, wurde es in den 1950er Jahren geschlossen und 1961 verfĂŒllt.

Es ist zu hoffen, dass das „Klietzbad“ nicht auf ewig dieses Schicksal erleiden muss.

Dass es auch anders geht, zeigt sich gerade an dieser Badeanstalt:

Im Jahr 1958 konnte dieses Bad nach lĂ€ngerem Verfall wieder saniert der Bevölkerung zur Nutzung ĂŒbergeben werden. Im Jahr 1958, das muss man sich vergegenwĂ€rtigen, sind im Juni erst die Lebensmittelkarten in der DDR abgeschafft worden!

Was 1958 möglich war, als unser Land noch dabei war, die Folgen des 2. Weltkrieges zu ĂŒberwinden, sollte doch in einer Zeit, da die Bundesrepublik Deutschland zu den 5 reichsten LĂ€ndern der Erde zĂ€hlt, zu schaffen sein!

Uwe Kramer

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