Bloß nicht denken – und schon gar nicht öffentlich!

Als ich am letzten Wochenende in einem gemütlichen Quedlinurger Café die Mitteldeutsche Zeitung durchblätterte, stieß ich unverhofft auf einen Artikel, wie man ihn in dieser Zeitung selten findet: Der Harz – Die Toskana des Nordens.

Dort werden von einer Projektgruppe des Bauhauses Dessau Zukunftsszenarien für die Harzregion entworfen: „Sachsen-Anhalt im Jahr 2050 – wie gestaltet sich das Leben angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung? Ein Landschaftsraum wird zur eigenständigen Wirtschafts- und Verwaltungszone.“

In diesem Beitrag, welcher eines von 3 Szenarien beschreibt, werden folgende Fragen aufgeworfen:

„Was wäre eigentlich, wenn es diese Ländergrenzen nicht gäbe? Was wäre, wenn der Harz ein eigenständiges Oberzentrum bilden würde? Und was passierte, wenn dieses sich mit dem Budget, das ihm laut Einwohnerzahl aus den Landeshaushalten zusteht, selbst verwalten würde?

Interessanter Denkansatz! Wir werden in eine mögliche Zukunft entführt, in der losgelöst von bestehenden Strukturen die Kulturlandschaft Harz als Einheit beschrieben wird, die in der Lage ist, ihre Potenziale auszuspielen und sich selbst zu verwalten. Eine S-Bahn ähnliche Ringbahn katapultiert den öffentlichen Nahverkehr in eine sinnvolle, ökologische und attraktive Zukunft. Orte rund um den Harz verschmelzen, Die Universität Clausthal und die Gymnasien bilden eine Hochburg der Bildung und die vielen Touristen werden durch ein gemeinsames Marketing bestens betreut. Aber lesen Sie selbst … siehe Link oben.

Einen Tag später die Ernüchterung in ebendieser Zeitung. Unter der Überschrift „Geteilte Reaktionen auf Zukunftsvision“ holen uns „unsere Politiker“ sogleich auf den Boden der bundesdeutschen Realität zurück.

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Wieviel Ausnahmegenehmigungen verträgt ein Weltkulturerbe noch?

Kontrastprogramm oder Provokation? Der Gestaltungssatzung entspricht das jedenfalls nicht.

Man wagte es kaum noch zu hoffen, aber das „WoWi-Kaufhaus“ – gelegentlich hört man auch „Obstkiste“ – scheint langsam der Fertigstellung entgegen zu sehen.

Applaus! … Doch wofür?

An markanter Stelle in der Quedlinburger Innenstadt ist wieder einmal ein moderner Lückenbau entstanden. Das wäre durchaus ein Grund um Feiern. Ist es aber leider nicht, denn was da gebaut wurde, erhitzt die Gemüter und wirft Fragen auf.
Abgesehen von dem plötzlichen und nicht wirklich nachvollziehbaren Abriss des zugegebener Maßen auch nicht schönen Vorgängergebäudes muss man die Frage stellen, wozu es denn in Quedlinburg eigentlich eine Gestaltungssatzung gibt und für wen sie gilt.
Was würde wohl passieren, wenn ein gewöhnlicher Bürger sein Haus mit Flachdach, zweifelhafter Fassadenverkleidung aus Kunststoff und unbeschreiblich hässlicher Hofansicht bauen wollte? Es würde wahrscheinlich aus dem Rathaus gejagt werden.
Aber wenn ein DRK oder eine WoWi kommen, dann geht es trotzdem. Warum?

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Was ist mit der WoWi los?

Die Wohnungswirtschaftsgesellschaft mbH Quedlinburg – kurz WoWi, eine Tochtergesellschaft der Stadt Quedlinburg sollte doch vor allem im Interesse ihres Gesellschafters, nämlich der Stadt Quedlinburg handeln.

Neben dem Kerngeschäft, dem Verwalten des kommunalen Wohnungsbestandes, fallen der WoWi in der Welterbestadt Quedlinburg zusätzlich Aufgaben zu, die eine Welterbestadt auszeichnen.
So muss sie sich insbesondere der großen (nationalen) Aufgabe des Erhalts des Welterbes verpflichtet fühlen. Damit fallen ihr vor allem im sogenannten inneren Sanierungsgebiet, welches des Welterbe enthält, besondere stadtplanerische Aufgaben zu. Die Stadt und ihre Bauverwaltung müsste mit der WoWi einen starken Partner für dieses gemeinsame Ziel haben.

Was aber passiert in Quedlinburg?

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Schwarzer Donnerstag für den Quedlinburger Stadtrat

Am 22.11.2012 hat sich der Stadtrat von seiner bürgerunfreundlichsten Seite gezeigt.

Zum Entsetzen der Abgeordneten des Bürgerforums (BfQ) wurde der Tagesordnungspunkt, in dem es um die Schließung des Kurzentrums Bad Suderode zum 30.6.2013 ging, nach „Klärung eines Sachverhaltes“ wieder auf die Tagesordnung gesetzt und behandelt.

Der Grund für die Absetzung war ein Schreiben an den Ministerpräsidenten, der sich nach Aussage des Ortsbürgermeisters Bad Suderode am kommenden Montag äußern wollte.

Der „Sachverhalt“ bestand darin, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU den Grund für die Absetzung nicht akzeptieren wollte und sich mit dem Ministerpräsidenten in Verbindung setzte. Dessen Aussage deckte sich nicht mit der Aussage seines Büros gegenüber Herrn Sauer. Das wurde zum Anlass genommen, den Punkt wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

So weit – so gut.

Weshalb wir über dieses Vorhaben, welches dann auch tatsächlich durchgezogen wurde, entsetzt waren, ist der Umstand, dass die vielen Gäste, die die Debatte verfolgen wollten, inzwischen im guten Glauben, dass dieser Punkt an diesem Abend nicht behandelt wird, längst den Saal verlassen hatten.

Wir distanzieren uns ausdrücklich von diesem Verhalten des Stadtrates, mit dem er mehrheitlich demonstrierte, was ihm die Bürgerinnen und Bürger wert sind. Stadtrat Seidel (CDU) verhöhnte obendrein noch die Öffentlichkeit, indem er meinte, dass es den Gästen doch freigestanden habe, die Sitzung trotzdem weiter zu verfolgen.

Aus Protest gegen diesen Ablauf der Sitzung haben die Abgeordneten des Bürgerforums gegen die Schließung des Kurzentrums zum 30.6.2013 gestimmt.

Liebe Quedlinburger und Neu-Quedlinburger,

wenn Sie in Zukunft weiterhin so behandelt werden wollen, dann wählen Sie ruhig weiter CDU oder SPD. Damit ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass Sie auch weiterhin nichts zu sagen haben.

S. Kecke

Neues aus Kirche und Stadt

Für den Stadtrat am 19. 07. 2012 hatte die Verwaltung eine Vorlage erarbeitet, die im nichtöffentlichen Teil behandelt werden sollte. Sie erschien unter dem Namen:

Richtungsentscheidung zur Umsetzung des neuen Nutzungs- und Präsentationskonzeptes für den Stiftsberg in Quedlinburg

Der Beschlussvorschlag lautete:

Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, auf der Basis des von der ARGE culture concepts/KK architekten erarbeiteten Nutzungs- und Präsentationskonzeptes (Kurzfassung als Anlage), mit der Fortführung der Gespräche zwischen den Vertretern des Gemeindekirchenrates des evangelischen Kirchspiels Quedlinburg und der Domschatzverwaltung Quedlinburg/Halberstadt sowie der Stadt Quedlinburg mit der Zielstellung der Umsetzung eines gemeinsamen Betreibermodells.

Schon seit einigen Monaten erscheint es mir sehr wichtig, diesen wesentlichen Sachverhalt öffentlich zu diskutieren, denn er betrifft die im wahrsten Sinne des Wortes „Heiligste Kuh“ der Quedlinburger, das Schloss mit der Stiftskirche, unter Umständen sehr tiefgreifend. Einigen Mitgliedern des Rates und der Verwaltungsspitze ist diese Vorstellung wohl nicht sehr angenehm, denn Volkes Stimme ist unberechenbar. Aber damit muss man in einer Demokratie leben!

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Bürgerbeteiligung ernst gemeint?

Am 15. Mai fand von 19:00 Uhr bis ca. 21:30 Uhr im Festsaal des Rathauses eine Bürgerinformationsveranstaltung zum künftigen Stadtentwicklungskonzept statt.Ein eigentlich wichtiger Termin.

Wussten Sie davon?

Sicher, der Termin war im Amtsblatt veröffentlicht worden. Nur leider gibt es immer noch weiße Flecken auf der „Amtsblatt-Landkarte“ der Stadt Quedlinburg.
Auf intensive Nachfrage im Rathaus hin erschien dann am Freitag, also 4 Tage vor der Veranstaltung, noch eine kurze Information in der Tageszeitung.
Suchte man auf der Internetseite der Stadt danach, dann hatte man leider keine Chance. Bedauerlich.

Der Oberbürgermeister lobte sich und die Stadtverwaltung in der Einführung des Abends, indem er auf die vergleichbar hohe Zahl von Veranstaltungen mit Bürgerbeteiligung hinwies. Er vergaß aber zu erwähnen, dass dies infolge eines wachsenden Drucks immer besser organisierter engagierter Bürger der Stadt hin so ist.
Aber in einer Stadt mit „Servicequalität Deutschland“ reicht die Quantität nicht aus. Hier ist in erster Linie Qualität gefragt.

Deshalb unser Vorschlag für den Anfang:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, bitte richten Sie auf der Internetseite der Stadt an hervorgehobener Stelle (auf der Startseite) einen gut sichtbaren Link zu einem Kalender mit allen geplanten Veranstaltungen im Rahmen der Bürgerbeteiligung ein.
Dieser Kalender sollte auch alle Termine öffentlicher Auslegungen enthalten.
Jeder Termin sollte mit einer kurzen und für alle verständlichen Erklärung zu Zweck und Inhalt der Veranstaltung ergänzt werden.

Vielleicht steigt damit die Wahrnehmung solcher Veranstaltungen und Auslegungen deutlich. So, wie es im Augenblick läuft, ist die Informationspolitik des Rathauses leider mangelhaft. Wer informiert sein will, muss aktiv eine Reihe von Hebeln in Bewegung setzen.
So geht das nicht! Wenn man jemanden wirklich erreichen will, dann muss man ihm entgegengehen! Oder will man nur seiner Pflicht Genüge tun, ansonsten die Bürger aber lieber weniger beteiligen?

Liebe Stadtverwaltung, beweisen Sie uns, dass wir uns täuschen!

Haushalt 2012 und Konsolidierung

Am 12.04.2012 befasst sich der Quedlinburger Stadtrat mit dem durch die Stadtverwaltung vorgelegten Haushalt 2012 und dem damit verbundenen Konsolidierungskonzept.

Im Vorfeld wurden beide Dokumente – zum Teil auch in der Öffentlichkeit – heftig diskutiert.
Stichworte: Kulturabgabe (Bettensteuer), Fremdenverkehrsabgabe.

Mit den folgenden Gedanken möchte sich das Bürgerfrum Quedlinburg (BFQ) an der Diskussion beteiligen:

  1. Rahmenbedingungen und Hintergrund
  2. Haushaltslage der Stadt Quedlinburg
  3. Freiwillige Leistungen
  4. Konsolidierungspotenzial

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Heute schließe ich die Feininger-Galerie, morgen das Theater, … ach wie gut, dass niemand weiß …

Dieses aus einem bekannten Märchen entnommene und abgewandelte Motto scheint zum Selbstläufer in der öffentlichen Dikussion um Konsolidierung geworden zu sein.

Seit gestern geht die Meldung über die Kürzung des künftigen Zuschusses des Landkreises Harz für den Betrieb der Feininger-Galerie durch die lokalen Medien. Siehe Meldung der Mitteldeutschen Zeitung vom 07.12.2011.

Eine Gruppe engagierter Quedlinburger Bürgerinnen und Bürger versucht dieses Thema mit erheblichem persönlichen Aufwand in die Öffentlichkeit zu transportieren. Damit wollen sie retten, was noch zu retten ist. Ob es gelingt, wird man heute nach der entscheidenden Sitzung des Kreistages sehen.

Was passiert hier eigentlich?

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Der Niedergang des Quedlinburger Freibades – Ein Erinnerungsprotokoll

Viele Leser dieses Beitrags erinnern sich noch heute gern daran, als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener fröhliche Sommertage im Freibad in der Lindenstraße erlebt zu haben.

Die 1958 neu erbaute Badeanstalt war großzügig angelegt, drei Becken, ein Ruderteich, ausgedehnte Liegeflächen und ein netter Biergarten „Zur Walkenmühle“ boten den Menschen eine Menge Freizeitspaß. Fußläufig und mit dem Fahrrad war das Freibad aus der Stadt gut zu erreichen und entsprechend hoch der Besucherstrom im Sommer.

1990 übernahm die neu organisierte Stadtverwaltung die Betriebsführung der Badeanstalt nach gut dreißigjährigem Betrieb in einem mittelmäßig vernutzten Zustand. Zu diesem Zeitpunkt begann aus meiner Sicht der eigentliche Niedergang des Quedlinburger Freibades.

Für uns, die Mitglieder des Bürgerforums, erscheinen die nun folgenden Weichenstellungen als gutes Beispiel für Fehleinschätzungen und Gleichgültigkeit seitens der kommunalen Entscheidungsträger. Sie aufzuarbeiten ist für uns wichtig, auch wenn wir damit das Geschehene nicht mehr rückgängig machen und auch kein neues Freibad herbeizaubern können. Vielleicht aber rüttelt dieser Beitrag einige Bürger auf, sich mehr in das politische Tagesgeschehen einzumischen.

In meiner Erinnerung existieren für das folgende Geschehen ein realer und drei psychologische Gründe.

Der reale Hauptgrund: Die Betriebskosten (Personal und technische Unterhaltung) konnten durch die Eintrittsreise längst nicht eingespielt werden. Die Differenz ging jährlich in die Hunderttausende D-Mark und musste von der Stadt als Betriebskostenzuschuss ausgeglichen werden.

Psychologie I: In den achtziger und neunziger Jahren wurden aus eben diesem Grunde in den alten Bundesländern immer mehr derartige Bäder für immer geschlossen. Zu alt, zu langweilig, zu teuer. Berater von dort, nicht vertraut mit unseren Zuständen im Osten, drängten dazu, das defizitäre Bad zu schließen, und Rat und Verwaltung schenkten diesen Einflüsterungen zunehmend Gehör.

Psychologie II: In den Neunzigern entstanden rings um uns ultraneue Spaßbäder, Kiesseen wurden zu Badelandschaften und man fuhr in den Ferien nach Mallorca, in die Karibik oder sonstwohin zum Baden. Wer brauchte da noch so ein hinterwäldlerisches Freibad wie in der Lindenstraße, nur mit einem Brausekiosk.

Psychologie III: Für mich der psychologische Hauptgrund; kaum ein Ratsmitglied oder Entscheidungsträger der Verwaltung besuchte jemals das Freibad, viele hatten es Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr gesehen, manche kannten es gar nicht aus eigener Anschauung. Es gab seitens der überwältigenden Mehrzahl dieser Leute keine Identifikation mit dieser Badeanstalt.

Mitte der Neunziger Jahre übergab die Stadt zur Kostensenkung die Betriebsführung des Freibades an ihre eigenen Stadtwerke. Schon zuvor hatte man beschlossen, nur minimale Summen in die Erhaltung zu stecken.

1997/98 entstand im Aufsichtsrat der Stadtwerke die Idee, eine moderne Hallen-/Freibadkombination in der Lindenstraße zu bauen. Darin sollte es Saunen, Restaurants und Wellnesbereiche geben. Ein Blockheizkraftwerk sollte das Bad mit Strom und Wärme versorgen und zusätzlich Teile der Stadt. Parkplätze für viele PKW sollten entstehen.

Eine schöne Idee, nur leider würde sie zig Millionen DM kosten. Einen Großteil der Finanzierung hätte damals noch – unter gewissen Umständen – das Land Sachsen-Anhalt übernommen. Für den Rest mussten Investoren gewonnen werden.

Der ehemalige Oberbürgermeister Rudolf Röhricht, sein Rechtsamtsleiter Herr Scheller und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende und Grundstücksmakler Jürgen Sänger (CDU) gingen dann auch auf die Suche nach einem Investorenkonsortium. Das sollte das restliche Geld für den Bau aufbringen. Der unweigerliche Minusbetrag, der dabei durch Baufinanzierung, Kredite und laufenden Betrieb entstehen würde, sollte von Stadt und Stadtwerken über viele Jahre beglichen werden.

Mit meinem Gegenvotum stand ich damals auf ziemlich verlorenem Posten. Ich fand es sinnvoller, das alte Freibad mit einer noch überschaubaren Summe von ein bis zwei Millionen DM zu sanieren. Auch dieses Geld hätte natürlich aufgebracht werden müssen. Die Stadt hatte in den Neunziger Jahren sehr hohe Millionenbeträge in Straßen, Stützmauern, öffentliche Gebäude, Grünanlagen, Parkplätze usw. gesteckt. Es wäre längst an der Zeit gewesen, eine jährliche Rücklage für das Freibad anzulegen. Man lachte mich aus und nannte den Einwand die „Amlingsche Armeleute-Variante“. Jüngst zu diesem Zeitpunkt war der Verwaltungshaushalt der Stadt erstmalig unausgeglichen.

Einige Räte hielten es für vernünftig, das Problem im Rat zu diskutieren, doch OB Röhricht bat uns dringend um Stillschweigen. Öffentliche Diskussion und das „Zerreden“ des Problems wären reines Gift für die Investoren, denn – wie wir ja wissen – „Kapital ist ein scheues Reh“.

Erst über ein Jahr später war der Druck einiger Ratsmitglieder so groß, dass das Projekt im Bauausschuß der Stadt vom Geschäftsführer der Stadtwerke, Herrn Wölfer vorgestellt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt war schon einiges Geld in die Planung geflossen und von Alternativentwürfen wollte niemand etwas wissen.

Kurz danach, 1999, gab es einen neuen Stadtrat und das Problem verschwand wieder in der Versenkung. Die Finanzmisere in Stadt und Land weitete sich aus und 2000 stand eigentlich schon fest, dass man kein Investorenkonsortium finden würde. Das Freibad verfiel inzwischen weiter.

Im Jahr 2001 begab sich der Aufsichterat dann endlich einmal vor Beginn der Saison selber in das Freibad und besah das Debakel mit eigenen Augen. Das Bad wurde schon seit Jahren mit einer Sondergenehmigung des Landkreises gefahren. Wir, die Aufsichtsrat-Mitglieder, sahen erstmalig, das die Böden des Nichtschwimmer- und des Schwimmerbeckens in einem sehr desolaten Zustand waren. Viele Kacheln lagen locker umher und man sah die Kies-Unterfütterung. Dadurch lief ständig Wasser aus den Becken, demzufolge mussten Unmengen Trinkwasser nachgespeist werden. Unmengen von Chlor wurden nachdosiert, was wiederum nicht mehr bundesdeutschem Standard entsprach.

Sanierung würde hier bedeuten, die Böden neu zu kacheln, eine Edelstahlwanne einzuschweißen oder eine Kunststoffabdichtung zu installieren. Außerdem wäre eine moderne Wasseraufbereitung dringend nötig als Ersatz für die betagte Chlorstation. Das hätte den Löwenanteil der Sanierungskosten ausgemacht.

Die Betonplatten um die Becken herum waren völlig ausgewaschen, rauh und teilweise schiefliegend, eine ernsthafte Verletzungsgefahr. Das Legen neuer Platten wäre nach meiner Erfahrung als ABM-Maßnahem durchgegangen.

Der Ruderterteich war inzwischen an den Anglerverein verpachtet. Die Weiden zwischen Teich und Becken waren etwa 15 Meter hoch und warfen jede Menge Schatten, Blätter und Dreck auf die eigentliche Badestelle. Hier wäre der Bauhof mit einer radikalen Fällaktion gefragt gewesen.

Den Rest der sanierungswürdigen Elemente machten Geländer, Duschen und Umkleide- und Sanitärtrakt aus.Diese Missstände hätten sukzessive beseitigt werden können. Mit anderen Worten: Mit viel Elan und guten Einfällen hätte das Kind gerettet werden können.

Doch dann verschärfte sich die Situation. Durch den Verlust der Mühlgrabenbrücke unterhalb der „Schorre“ gingen immer mehr Galgenberger über das Gelände des Freibades. Die Umzäunung wurde ständig zerstört. Das Bad wurde zum Sicherheitsrisiko erklärt. Keiner wollt ean einem Absturz ins Schwimmbecken Schuld sein. Der Stadthaushalt geriet immer tiefer in die roten Zahlen. Die Investore hatten sich in Luft aufgelöst und die Armeleute-Variante wurde nicht mehr in Angriff genommen.

Im Jahr 2002 wirde das Freibad endgültig zu einem Fall für die Gefahrenabwehr. Weil niemand mehr die Verantwortung tragen wollte, wies man ohne Wissen des Rates an, das Freibad innerhalb weniger Tage zuzuschütten.

Damit hatte sich der Kreis des kurzen Denkens geschlossen.

Einige Wochen später gründete sich die Arbeitsgruppe „Bäder“ des Stadtrates. Sie pinselt bis zum heutigen Tage müßige Konzepte für einen Badneubau. Doch den wird es in absehbarer Zeit nicht geben.

Christian Amling

Müssen Quedlinburger nun zum Baden immer nach Auswärts fahren?

Wer gegenwärtig über das Gelände des ehemaligen Freibades an der Lindenstraße läuft, kann sich nur schwer vorstellen, dass an dieser Stelle noch vor wenigen Jahren in den Sommermonaten reger Badebetrieb herrschte.

Das Zuschütten und Einebnen maroder Freibäder ist eine Tradition in unserer Stadt, wenn man das Schicksal des unterhalb der Altenburg gelegenen ehemaligen Wipertibades betrachtet: Nachdem dieses ab 1838 betrieben worden ist, wurde es in den 1950er Jahren geschlossen und 1961 verfüllt.

Es ist zu hoffen, dass das „Klietzbad“ nicht auf ewig dieses Schicksal erleiden muss.

Dass es auch anders geht, zeigt sich gerade an dieser Badeanstalt:

Im Jahr 1958 konnte dieses Bad nach längerem Verfall wieder saniert der Bevölkerung zur Nutzung übergeben werden. Im Jahr 1958, das muss man sich vergegenwärtigen, sind im Juni erst die Lebensmittelkarten in der DDR abgeschafft worden!

Was 1958 möglich war, als unser Land noch dabei war, die Folgen des 2. Weltkrieges zu überwinden, sollte doch in einer Zeit, da die Bundesrepublik Deutschland zu den 5 reichsten Ländern der Erde zählt, zu schaffen sein!

Uwe Kramer

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