Haushalt 2012 und Konsolidierung

Am 12.04.2012 befasst sich der Quedlinburger Stadtrat mit dem durch die Stadtverwaltung vorgelegten Haushalt 2012 und dem damit verbundenen Konsolidierungskonzept.

Im Vorfeld wurden beide Dokumente – zum Teil auch in der Öffentlichkeit – heftig diskutiert.
Stichworte: Kulturabgabe (Bettensteuer), Fremdenverkehrsabgabe.

Mit den folgenden Gedanken möchte sich das BĂŒrgerfrum Quedlinburg (BFQ) an der Diskussion beteiligen:

  1. Rahmenbedingungen und Hintergrund
  2. Haushaltslage der Stadt Quedlinburg
  3. Freiwillige Leistungen
  4. Konsolidierungspotenzial

1) Rahmenbedingungen und Hintergrund

Seit vielen Jahren hören wir aus dem Quedlinburger Rathaus vor allem folgende Aussage: „Quedlinburg ist arm und nahezu handlungsunfĂ€hig“. Diese Grundhaltung scheint Stadtverwaltung und Stadtrat zunehemend zu paralysieren – und dient dem Anschein nach immer wieder als Ausrede dafĂŒr, selbst nichts tun zu mĂŒssen.
So werden neue Ideen, egal, ob sie aus dem Stadtrat, der Bevölkerung oder InteressenverbÀnden kommen, zunÀchst mit diesem Totschlagargument abgewiesen.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
Erstens befindet sich Quedlinburg alles andere als am unteren Ende der verschuldeten Kommunen, und zweitens wurde der Stadt im Herbst 2011 im Rahmen einer Veranstaltung zur Zukunft des Kurzentrums Bad Suderode von der Landesregierung zugesagt, dass Altschulden des Kurzentrums im Falle eines erfolgreichen Verkaufs vom Land ĂŒbernommen werden.

DarĂŒber hinaus wurde am 4. April 2012 vom Wirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt verkĂŒndet, dass die Landesregierung die Kreise, StĂ€dte und Gemeinden bis zum Auslaufen des Solidarpakts 2020 finanziell gesunden will (siehe MZ: StĂ€dte ohne Schulden).

Und dann dĂŒrfen wir nicht vergessen, dass nach aktuellen SchĂ€tzungen in Deutschland ein Privatvermögen abzĂŒglich staatlicher Schulden von sage und schreibe 8 Billionen Euro existiert!
Siehe hierzu: Finanzportal GeVestor: Guthaben der Deutschen: 8 Billionen Euro und Focus: 4,9 Billionen Euro auf der hohen Kante.
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wurde am 4. April 2012 eine DIW-Berechnug veröffentlicht, nach der sich die Steuereinnahmen in Deutschland auf einem Allzeithoch befinden! Quelle: Spiegel online vom 4.4.2012.

Fazit:
Die „Zeiten knapper Kassen“ sind eine einzige LĂŒge!
Es gibt soviel Geld in Deutschland wie noch nie – Es ist aufgrund des Unvermögens unserer gewĂ€hlten Volksvertreter nur extrem falsch verteilt! (Wir wollen keine Gleichmacherei sondern ledigich eine gerechte Verteilung der Lasten!)
Quedlinburg steht keineswegs so schlecht da, wie uns die Verwaltungsspitze weismachen will.
Es ist im Sinne der Zukunft unserer Stadt nicht mehr vertretbar, sich weiter kaputtsparen zu wollen.

2) Haushaltslage der Stadt Quedlinburg (korrigiert am 8.5.2012)

Die Stadt Quedlinburg hat im Augenblick ca. 38 Mio. Euro Schulden (langfristige Kredite fĂŒr Investitionen).
Die aufgelaufenen FehlbetrĂ€ge im Verwaltungshaushalt aus den vergangenen Jahren betragen etwas ĂŒber 19 Mio Euro zuzĂŒglich rund 2,7 Mio. Euro (geplant) fĂŒr das Jahr 2012. Hinzu kommt seit der Gemeindegebietsreform erstmals ein Fehlbetrag im Vermögenshaushalt von ca. 2,3 Mio. Euro und weiterhin ein Kassenkredit von ca. 13,6 Mio. Euro.
Das ist fĂŒr eine Stadt wie Quedlinburg eine beachtliche Schuldenlast, welche abzutragen im Moment kaum möglich scheint.

Dann sollte man aber auch wissen, dass eine Reihe positiver Effekte in den letzten Jahren schon zu einer Verbesserung der Situation gefĂŒhrt haben. So stieg die Neuverschuldung (Defizit im Verwaltungshaushalt) im Jahr 2011 nur um knapp 300.000,- Euro statt wie im Haushalt geplant um 3,455 Mio. Euro. Das waren also nur 6,65 Prozent! Wenn das kein Erfolg ist, ĂŒber den wir uns auch mal freuen dĂŒrfen.

GrĂŒnde waren neben einer sparsamen Haushaltspolitik zum Beispiel höhere Steuereinnahmen (Umlagen aus dem allgemeinen Steueraufkommen) aufgrund des insgesamt gestiegenen Steueraufkommens und auch höhere Gewerbesteuereinnahmen in Quedlinburg selbst, weil die Lage vieler Unternehmen deutlich besser war als befĂŒrchtet. Und dieser Trend setzt sich fort. Siehe auch Punkt (1).

SelbstverstÀndlich sind auch wir an einer Reduzierung der Schuldenlast und an einem ausgeglichenen Haushalt interessiert. Wir wollen die Lage nicht bagatellisieren, sondern die Perspektive des Betrachters nur etwas korrigieren: Das Glas ist eben nicht halb leer, sondern halb voll.

3) Freiwillige Leistungen

Wie wir wissen, gibt es in Deutschland in den kommunalen Haushalten Pflichtaufgaben (auch gesetzliche Aufgaben) und sogenannte „freiwillige Aufgaben“. Letztere sollten mindestens 5% des Haushalts ausmachen und damit das Mindestmaß an „kommunaler Selbstverwaltung“ sichern.
Über die Sinnhaftigkeit dieser Einteilung soll hier nicht diskutiert werden. DarĂŒber ließen sich BĂŒcher schreiben.

Diese „freiwilligen Aufgaben“ sind nun schon seit Jahren immer wieder Gegenstand aller möglicher Streichorgien.
FĂŒr Quedlinburg fordert die Kommunalaufsicht (Landkreis) immer wieder die 5% ein und verkennt dabei völlig, dass ein Großteil davon aktive Wirtschaftsförderung und Lebensgrundlage des Hauptwirtschaftsfaktors Tourismus darstellen.

Hier mĂŒssen wir uns mit aller Kraft wehren!
Auf der Internetseite www.cultworx.com wird aktuell die Liste der freiwiligen Leisungen öffentlich diskutiert. Diskutieren Sie mit!

Hier einige Bemerkungen aus unserer Sicht zu einzelnen Positionen:

16. Verwaltung kultureller Angelegenheiten (109.100,-€)

Damit sind die Mitarbeiterinnen der Stadt gemeint, die sich um das Stadtfest zum Tag des offenen Denkmals, die Konzerte in der Blasiikirche und im Rathaus u.s.w. kĂŒmmern.
In jĂŒngerer Zeit wird (auch ĂŒberregional) heftig ĂŒber das VerhĂ€ltnis von staatlich subventionierter und privat betriebener Kultur gestritten. In diesem Sinne sollten wir, wie auch kĂŒrzlich im Bildungshaus Carl Ritter herausgearbeitet, ernsthaft darĂŒber nachdenken, welche Rolle die Stadtverwaltung im Quedlinburger Kulturgeschehen eigentlich kĂŒnftig spielen soll: Sollte das Geld nicht vielleicht besser in ein professionelles Management (Im Sinne eines „KĂŒmmerers“ und keinesfalls eines Bestimmers!) und die Vernetzung der vielen privat getragenen und staatlich unterstĂŒtzten (Theater, Museen u.s.w.) Kulturinitiativen investiert werden, anstatt es in immer weniger eigene Veranstaltungen zu stecken? Das sollten wir ernsthaft diskutieren – und den stĂ€dtischen Beitrag als notwendige UnterstĂŒtzung definieren und keinesfalls als tonangebend! Denn dazu ist eine Verwaltung in der Tat nicht da und in der Regel auch nicht in der Lage.
Also: Kulturschaffende dieser Stadt vereinigt Euch und bereitet ein Konzept vor, welches wir im Stadtrat mehrheitlich beschließen können!

17. Zuschuss zur QTM-GmbH (215.000,-€)

Über das Wirken und die Wahrnehmung der QTM wird in Quedlinburg immer wieder viel diskutiert. Leider sorgte der GeschĂ€ftsfĂŒhrer selbst hin und wieder durch ĂŒbereilte und unglĂŒckliche öffentliche Äußerungen fĂŒr Irritationen. Hinzu kommen noch Defizite im Umgang der QTM mit ihren eigentlichen VerbĂŒndeten, den Beherbergungsbetrieben, den Gastronomen, den EinzelhĂ€ndlern u.s.w., die aber, wie Herr Bracht kĂŒrzlich betonte, erkannt wurden und zielgerichtet abgebaut werden. Dabei mĂŒssen wir ihn alle – auch durch faire und konstruktive Kritik – aktiv unterstĂŒtzen.

Auf der anderen Seite darf man aber nicht verkennen, wie wichtig ein professionelles Stadtmarketing fĂŒr Quedlinburg ist – und wie erfolgreich die QTM hier tatsĂ€chlich ist. Öffentlichkeitsarbeit, Herstellen und Verteilen von Informationsmaterial, vielfĂ€ltige Auftritte auf Messen und Ausstellungen und vieles mehr sind notwendig und kosten viel Geld. Die daraus mittelbar generierten EinkĂŒnfte fließem natĂŒrlich nicht der QTM sondern den Tourismusbetrieben der Stadt zu.
Deshalb sind die ZuschĂŒsse zur QTM als notwendige Investition und aktiver Beitrag zur Wirtschaftsförderung zu sehen.
Übrigens ist im Bundsdurchschnitt der Kostendeckungsgrad der QTM extrem hoch. Freuen wir uns lieber, dass durch eigene geschĂ€ftliche AktivitĂ€ten, wie der Übernachtungsvermittlung, StadtfĂŒhrungen, Weihnachtsmarkt u.a. eine großer Teil der Ausgaben der QTM von ihr selbst erwirtschaftet werden.

Also: Diesen Posten keinesfalls streichen!

18. Schlossmuseum o. Abschr. u. Verz. (621.200,-€) und Punkte 21 – 32

Erinnern wir uns an den Konsolidierungspunkt „Schließen des Klopstockhauses in den Wintermonaten“. Auf Nachfrage im Kulturausschuss (KTSQ) konnte die Verwaltung keine Aussage zum erzielten finanziellen Effekt dieser Maßnahme liefern. Also wozu dann das Ganze?!

Das Schlossmuseum und mit ihm die StĂ€dtischen Museen insgesamt bedĂŒrfen einer konzeptionellen Aufwertung und sind fĂŒr die Welterbestadt Quedlinburg zwingend notwendig. Im Augenblick tagt – leider wieder nur im Geheimen!!! – ein Lenkungskreis,der mit professioneller UnterstĂŒtzung und im Auftrag des Landes ein neues Vermarktungskonzept fĂŒr den gesamten Burgberg erarbeiten soll. Warten wir das Ergebnis ab und diskutieren wir dann weiter. Man kann nur hoffen, dass die ewigen Kontrahenten Stadt und Kirchspiel die gemeinsame Aufgabe erkennen und nicht wieder durch Eigennutz die Chancen vertun. Was leider zu befĂŒrcheten ist, denn nach wie vor erhebt das Kirchspiel den Anspruch auf die fĂŒhrende Rolle, obwohl der gesamte Burgberg der Stadt gehört und von ihr mit erheblichem Aufwand bewirtschaftet wird.

Also: Kein Streichposten, denn wir brauchen die Museen.

26. Theaterverbund (443,200.-€)

Hier scheiden sich die Geister.
Wir meinen: Theater ist notwendig. Vor allem fĂŒr unsere wichtigste Einnahmequelle, die Touristen. Aber auch fĂŒr die Quedlinburger. Theater kostet immer Geld. Aber wieviel, darĂŒber muss es erlaubt sein zu diskutieren. Die „Alles oder nichts-Diskussion“ der letzten Jahre bringt uns nicht weiter.
Unser Ziel: Soviel Geld wie möglich und nötig fĂŒr das Theater, aber Diskussion ĂŒber Möglichkeiten des Theaters selbst, seine Effizienz zu steigern (Kosten, QualitĂ€t, Zielgruppen) und seine HĂ€user fĂŒr weitere Nutzungsmöglichkeiten zu öffnen.

27. Zuschuss Kreisbibliothek (33.800,-€)

Seit der Fertigstellung des Carl-Ritter-Hauses hat die Kreisbibliothek beste Voraussetzungen zu arbeiten. Was wir davon wahrnehmen, ist eher erbÀrmlich.
Im 21. Jahrhundert darf man von einer öffentlichen Bibliothek wesentlich mehr erwarten, wie zum Beispiel Öffnungszeiten bis spĂ€t in die Abendstunden und an den Wochenenden, ein breites Zugangsangebot zu digitalen Medien, aktive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen.
Hier erwarten wir sichtbare Signale, sonst wird sich kein Quedlinburger mehr dafĂŒr interessieren und die Bibliothek kann guten Gewissens geschlossen werden.

Also: Vorerst nicht streichen, aber Ultimatum setzen.

42. bis 48. Jugendpflege (deutlich ĂŒber 200.000,-€)

Keinesfalls anfassen!!!
Es sei denn, wir wollen kĂŒnftig ein Mehrfaches des Betrages in die Schadensbegrenzung versĂ€umter Jugendarbeit stecken (Heime, Strafvollzug, Gerichtskosten, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe etc.)

62. Stadtsanierung (12.900,-€)

Ist das ein Witz? Wollen wir den Welterbetitel nicht öffentlichkeitswirksam gleich abgeben?

65. BedĂŒrfnisanstalten Quedlinburg (106.500,-€)

Hier ist der Kritik auf Cultworx.com kaum etwas hinzuzufĂŒgen.
Wie kann man fĂŒr schlechte QualitĂ€t, geschlossene ToilettenhĂ€uschen und inakzeptable Öffnungszeiten so viel Geld ausgeben?

Unser Vorschlag: Ersatzlos streichen und dazu stehen, dass man es nicht auf die Reihe bekommt.

Das waren nur einige ausgewÀhlte Punkte, die jedoch besonders intensiv diskutiert werden.
Übrigens könnte man, statt ĂŒber die Ausgabepolitik der Stadt im Nachhinein den Kopf zu schĂŒtteln, etwas ganz anderes tun, was andere Kommunen, wie zum Beispiel die Stadt Potsdam recht erfolgreich tun: Einen BĂŒrgerhaushalt aufstellen, in dem die BĂŒrger vorher (!) mitreden und ĂŒber einen Teil des Haushaltes selbst bestimmen.
Das erfordert jedoch 2 Voraussetzungen. Seitens der Stadt ein Höchstmaß an Transparenz und seitens der BĂŒrger die Bereitschaft und das Durchhaltevermögn konstruktiv mitzugestalten.
Beides ist in Quedlinburg leider unterentwickelt. Aber wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

4) Konsolidierungspotenzial

Angesichts des Punktes (1) besteht eigentlich gar kein Grund, diesen Konsolidierungs-Unsinn weiter mitzumachen. Vielleicht ist der Trend des Ausblutens der öffentlichen Haushalte zugunsten des privaten Reichtums einer kleinen Gruppe nur durch Totalverweigerung zu brechen.

Aber wenn schon konsolidieren, dann schlagen wir, das BĂŒrgerforum Qudlinburg, folgende Maßnahmen vor:

  • Nachweis der Effizienz jeder einzelnen Personalstelle in der Stadtverwaltung durch ein verstĂ€ndliches und transparentes Personalkonzept, welchem die einzelnen Aufgaben der Stadtverwaltung zugrunde liegen.
    (Ein diskussionswĂŒrdiger Konzeptentwurf wird am 12.4. im Stadtrat diskutiert.)
  • Aufdeckung von Einnahmereserven aus Vermietung und Verpachtung stĂ€dtischen Eigentums. Hierzu sind dem Stadtrat lĂŒckenlos alle Miet- und PachtvertrĂ€ge einschließlich der vollstĂ€ndigen Vergabeunterlagen vorzulegen. Ein vorĂŒbergehend eingerichteter Ausschuss des Stadtrates arbeitet diese Unterlagen durch und leitet Maßnahmen ab, die nach Stadtratsbeschluss umgesetzt werden mĂŒssen.
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