Ich kann mich an keine Sitzung des Stadtrates in der jüngeren Vergangenheit erinnern, die von so vielen Bürgerinnen und Bürgern besucht worden ist. Es war unglaublich! Und es war so wichtig, dass die Quedlinburger Bevölkerung durch ihre Präsenz gezeigt hat, dass sie genau beobachtet, was in der Quedlinburger Politik passiert.
Der Grund für die große Aufmerksamkeit war die Beschlussvorlage zum Wirtschaftsplan des Dachvereins Reichenstraße.
Die in den letzten Monaten von AFD und CDU gemeinsam getragene systematische Übernahme von teilweise sensiblen Posten durch AFD-Abgeodenete sowie die Sicherung gemeinsamer Mehrheiten in den Fachausschüssen hat große Teile der Bevölkerung alarmiert. Deshalb war die öffentliche Beteiligung in den letzten Ausschusssitzungen bereits außerordentlich hoch. Und mehr als 200 Besucher im Palais Salfeldt haben eindrucksvoll demonstriert, dass hier bereits eine Grenze überschritten wurde.
Es ging auch nicht wirklich um den Wirtschaftsplan des Dachvereins, sondern um die Reichenstraße an sich, in der sich in der Fantasiewelt der rechtsgerichteten Kräfte in Quedlinburg eine „links-grüne“ Verschwörung gebildet hat.
Die Redebeiträge der AFD-Stadträte Michaelis und Fiedler haben dann auch deutlich gezeigt, in welche fatale Richtung Teile der Politik in Quedlinburg abgedriftet sind. Man müsste den beiden AFD-Rednern danken, dass sie sich vor der größtmöglichen Öffentlichkeit selbst entlarvt haben. Während Herr Michaelis anhand seiner eigenwilligen Deutung des Begriffes „Nazi“ die Opferrolle der AFD beweinte, hat Herr Fiedler ganz offen die Behauptung in den Raum gestellt, dass die „links-grüne“ Gesinnung des Dachvereins andere ausgrenzen würde. Und das dürfe eine Einrichtung der Stadt nicht tun. Sie müsse dem immer wieder beschworenen „Neutralitätsgebot“ gehorchen.
Was für ein Unsinn!
Jeder, der sich wirklich mit dem Wirtschaftsplan des Dachvereins beschäftigt, und die darin erkennbaren Arbeitsfelder betrachtet, erkennt sofort, dass es hier gerade gegen Ausgrenzung und Intoleranz geht. Aber genau das ist der AFD und allen rechts-national denkenden Menschen ein Dorn im Auge, weil sie selbst ausgrenzen wollen, wie im Parteiprogramm und unzähligen Redebeiträgen der Parteiführung der AFD nachzulesen ist. Sichwort „Remigration“. Und hier wäre es fatal, wenn sich die Öffentlichkeit und öffentliche Institutionen neutral verhalten würden. Gegen Verfassungsfeinde neutral zu bleiben wäre eine schwere Verfehlung. Wer auch nur irgendetwas aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt hat, der darf hier nicht neutral bleiben. Die Projekte des Dachvereins Reichenstraße werden von Bund, Land und weiteren öffentlichen Trägern genau deshalb gefördert! Sie leisten seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag gegen die Spaltung der Bevölkerung.
Die am 5.12. anwesenden Gäste wussten das und haben deshalb empört auf die unsäglichen hasserfüllten Redebeiträge der AFD-Vertreter reagiert. Das Präsidium des Stadtrates hingegen war eindeutig überfordert und hat nichts wirksames getan, um diesen Missbrauch der Redezeit abseits der Sache der Vorlage zu beenden. Sehr schade.
Liebe Quedlinburgerinnen und Quedlinburger! Bleibt aufmerksam und wachsam. Wenn Ihr auch künftig zur Stelle seid, wenn es brisant wird, dann können wir vielleicht gemeinsam Schlimmeres verhindern.
Nachfolgend das Abstimmungsergebnis: